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Die aufgefundene Glocke von Reinhardtswalde.

Vor vielen, vielen Jahren, da noch Wildschweine unsere Wälder bewohnten, wurde auf dem Kirchberg im wüsten Dorfe eine Glocke aufgefunden. Sie war von Wildschweinen aus der Erde aufgewühlt worden. Hühner sollen die noch mit Erde bedeckte Glocke ganz freigescharrt haben und eine Frau mit Namen Hanne habe beim Beerensuchen die Glocke entdeckt. –

     Die Glocke wurde nach dem benachbarten Wilschdorf gebracht, wo man gerade recht nötig eine brauchte. Dort hängt sie noch heute oben im Kirchtume und ruft wie ehedem allsonntäglich die Beter zum Gotteshause. Sie ist von den drei dortigen Kirchenglocken die kleinste und älteste.[1] Aus ihrem Klange wollten früher die Leute die Worte hören:

„Saue wühle –
Henne scharre –
Hanne fand ’se.“ –


  1. Die „Neue Sächs. Kirchengalerie“ schreibt im Band „Ephorie Pirna“, Seite 671, von ihr: Die kleine Glocke, die 150 kg wiegt, stammt aus der Zeit vor der Reformation und ist eine Meßglocke gewesen.

     Bemerkung. In Praßers Chronik vom Jahre 1869 heißt es hierüber Seite 200: „Auf dem Platze, wo die Reinhardtswalder Kirche gestanden hat, fand man vor langen Zeiten eine Glocke, welche, wie man erzählt, durch eine Wildsaue zum Vorschein gekommen sein soll und die auf dem Kirchturm zu Wilschdorf hängt. Dieselbe hat einen silberartigen Klang, aus dem man früher die Worte hat vernehmen wollen: „Saue wühle –! Henne scharre!“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Reinhardtswalder Sagenbüchlein. Buchhandlung Otto Schmidt, Arnsdorf in Sachsen 1924, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reinhardtswalder_Sagenb%C3%BCchlein_Fr._Bernh._St%C3%B6rzner_07.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)