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was ist das für ein Familienleben, mir schaudert, wenn ich gleich zum Frühstück hinunter muß. Den ganzen Tag gibt es Auseinandersetzungen und Szenen, wo nur zwei in einem Zimmer beisammen sind. Sagt einer: das ist weiß, so schreit gleich der andere: nein, was fällt dir ein — schwarz ist es. Und alles hat Nerven, selbst die Hunde sind nervös bei uns und fangen an zu quieken, wenn zu laut gesprochen wird.

Aber es ist Zeit, ich muß hinunter, leben Sie wohl, bis wir uns wiedersehen.

Ellen.“


28. März

„Wenn wir uns doch bald wiedersehen könnten, ich habe Ihnen so viel zu erzählen. Vorgestern nahm Detlev mich nun wirklich mit zu Seebalds, und Olafson war zuerst auch da. Es wurde über die Frau vom Meer gesprochen, über Murgers Zigeunerleben und über freie Liebe. Und dann erzählte Olafson von Paris. Wie kann er wundervoll reden — wenn er sprach, schwiegen alle still, aber ich glaube, uns war allen zumut, als ob man laut schreien müßte vor Begeisterung oder weinen oder irgend etwas ganz Verrücktes tun. Was sind das alles für Menschen, endlich einmal wirkliche Menschen, ohne Schablone und voll Künstlertum und Freiheit. Es ist einem dabei, als ob man sein Leben lang taub und blind und stumm in einer Höhle gesessen hätte und nun zum erstenmal sieht, zum erstenmal menschliche Stimmen hört, die ins Leben rufen.

Nachher zeigte Lisa uns ihre Skizzen. Gott, wenn ich denke, daß man auch einmal so hinauskönnte. Sie fanden es alle entsetzlich, daß ich so eingesperrt bin, besonders Marga, die ja auch Ihre besondere Freundin ist. Ich bin sehr angetan von ihr — man sieht, daß sie ihren Lebenskampf mit Stärke und Entschlossenheit kämpft.

Später gingen wir mit der ganzen Gesellschaft zu Allersens. — Sie haben ganz recht: das düstere, alte Haus paßt wunderbar zu diesen Menschen. Die zwei

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 562. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0562.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)