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Das Erscheinen des Militärs erklärte sich leicht. Sobald wir unsern praktischen Steuerverweigerungsversuch ins Werk gesetzt, hatten die Behörden von Bonn, wo damals kein Militär lag, an die nächstliegenden Garnisonplätze um Hülfe telegraphiert, und ihrem Notruf war prompt entsprochen worden. Damit kam nun unsere Weise der Steuerverweigerung zu einem jähen Ende. Das Militär besetzte sofort die Stadttore, und die Schlacht- und Mahlsteuer wurde erhoben wie zuvor. Abends hielten wir eine Versammlung des demokratischen Komitees mit Hinzuziehung vertrauter Leute, in einem Lokal, „der Römer“ genannt, um zu beraten, was zu tun sei. Der erste Impuls war, die Soldaten anzugreifen und, wo möglich, aus der Stadt zu jagen. Das wäre ein verzweifeltes Unternehmen gewesen, aber es wurde ernstlich in Betracht genommen. Nach reiferer Überlegung jedoch sahen wir alle ein, daß ein Kampf, selbst der erfolgreichste, in Bonn nur wirkliche Bedeutung gewinnen konnte als Teil einer umfangreichen Insurrektion. Nun war für den Rheinländer Köln die Hauptstadt, der natürliche Zentralpunkt aller politischen Bewegung. Dort also mußten wir unseren Zusammenhang suchen und von dort unser Losungswort holen. Wir hatten schon von Köln einen Bericht empfangen, daß dort eine fieberhafte Aufregung herrsche, und daß von den dortigen demokratischen Führern das Signal zu einer allgemeinen Schilderhebung zu erwarten sei; auf diese sollten wir uns möglichst schnell vorbereiten, aber jeden vereinzelten Aufstandsversuch vermeiden. Wir schickten einen Boten nach Köln, um die Freunde über das zu unterrichten, was bei uns vorgefallen war und weitere Instruktionen zu holen. Unterdessen trafen wir Vorkehrungen, um möglichst viele der Musketen der Bürgerwehr an einen bestimmten Ort zu bringen und Munition anzufertigen. Dieselbe Nacht noch hatten wir eine Menge von Leuten mit Kugelgießen und Patronenmachen beschäftigt.

Nun aber kamen beunruhigende Nachrichten über Dinge, die in der Nähe der Stadttore vorgingen. Draußen hatten sich nämlich Haufen von Landleuten aus den umliegenden Ortschaften gesammelt, zu denen die Kunde von dem Einmarsch der Soldaten in Bonn gedrungen war, und die nun die Demokraten und die Studenten in großer Bedrängnis glaubten. Die Bauern strömten herbei, um uns zu helfen. Manche von ihnen stellten sich wohl die Vertreibung der Truppen ebenso leicht vor wie die Vertreibung der Steuerbeamten von den Toren und waren voll von Kampflust. Wir hatten in der Tat Ursache zu besorgen, daß diese in die Stadt dringen und durch einen unvorsichtigen Streich uns unter den ungünstigsten Umständen in ein Straßengefecht verwickeln möchten. Jetzt galt es, diese Ungeduldigen eines Besseren zu belehren und sie mit der Mahnung nach Hause zu schicken, daß sie sich zum Kampf bereithalten und möglichst zahlreich zu uns stoßen möchten, sobald das Signal in Köln gegeben würde. Dies gelang nicht ohne Mühe. Die ganze Nacht blieb unser Komitee im Römer in Sitzung, auf die Rückkehr des nach Köln gesandten Boten wartend. Gegen Tagesanbruch gingen wir auseinander, um nach kurzer Ruhe uns an einem andern Platze zu versammeln. Die kriegerischen Vorbereitungen gingen unterdessen fort. Keiner von uns schlief in seinem

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Carl Schurz: Lebenserinnerungen bis zum Jahre 1852. Berlin: Georg Reimer, 1911, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schurz_Lebenserinnerungen_b1_s105.jpg&oldid=- (Version vom 29.8.2021)