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zurückkehren. Dann erging ich mich in einigen dunklen Redensarten, die durchblicken ließen, daß es eine geheimnisvolle Macht gebe, die, wenn sie auch Kinkel nicht zu befreien vermöchte, doch denen furchtbar werden könnte, die an ihm zum Verräter würden. Es gelang mir wirklich, Schmidt so sehr in Angst zu setzen, daß er mich inständig bat, ihm nicht übel zu wollen. Ich versicherte ihm, daß, wenn er das Geschehene in Schweigen begraben wolle, er sich desselben von mir zu versehen habe. Er dürfe sogar auf meine weitere Erkenntlichkeit rechnen, wenn er auch nach meiner Abreise fortfahren wolle, Kinkel von Zeit zu Zeit mit kräftigenden Nahrungsmittel beizustehen. Dies versprach er mir mit großer Wärme. Dann händigte ich ihm noch eine Zehntalernote ein und sagte ihm für immer Lebewohl.

Der erste Versuch war also mißglückt. Ich lag dann einige Tage still, bis Krüger, Leddihn und Poritz, die mittlerweile das Zuchthauspersonal sorgfältig überwachten, mir ihre Überzeugung mitteilen konnten, daß Schmidt nicht geschwatzt habe. Darauf führten meine Spandauer Freunde mir einen zweiten Gefangenenwärter vor. Ich verfuhr mit ihm in derselben Weise wie mit dem ersten, und alles ging nach Wunsch, bis ich ihm die entscheidende Frage stellte, ob er willig sei, zu einem Befreiungsversuche die Hand zu bieten. Dazu zeigte der zweite nicht mehr Mut als der erste, worauf ich auch für ihn verschwand. Ein dritter Mann wurde herangebracht, der aber schon nach dem ersten Schritt wankte und es zu der entscheidenden Frage gar nicht kommen ließ.

Nun schien es mir geraten, die Angelegenheit ruhen zu lassen, wenigstens bis wir ganz gewiß sein konnten, daß die drei beunruhigten Gemüter im Zuchthaus reinen Mund gehalten. Auch begann mein Aufenthalt in Berlin, wo unterdessen die bereits erzählten Dinge geschehen waren, mir unbehaglich zu werden. Die Zahl der Freunde, die um meine Anwesenheit in der Hauptstadt wußten, war etwas zu sehr angewachsen, und die Frage, was ich denn eigentlich dort vorhabe, begegnete mir zu häufig. Einer meiner Freunde erhielt nun den Auftrag, den andern für mich Lebewohl zu sagen. Ich reiste ab, um nicht wiederzukommen, – wohin, wußte niemand. In der Tat fuhr ich auf ein paar Wochen nach Hamburg. Dort traf ich meinen treuen Adolph Strodtmann, der mich sicher unterbrachte. Er setzte mich auch mit einigen gesinnungsverwandten Menschen in Verbindung, die in dem kleinen Freistaat einen vielseitig tätigen und nützlichen Gemeinsinn pflegten, und von denen ich lernen konnte, wie viel unter freien Staatseinrichtungen die bürgerliche Initiative zu leisten vermag. Aber die angenehme Gesellschaft konnte mich nicht lange halten. Vor Ende September kehrte ich zu meiner Arbeit zurück, schlug jedoch nicht in Berlin selbst, sondern in der Vorstadt Moabit bei Dr. Falkenthal mein Quartier auf.

In Spandau wurde mir berichtet, daß dort alles ruhig geblieben sei. Überhaupt war mein Geheimnis gut bewahrt worden. Meinen Freunden in Berlin war ich in unbekannte Fernen verschwunden. Nur einer davon, ein Student der Jurisprudenz, namens Dreyer, traf mich einmal zufällig in Moabit. Er ahnte, was mein Geschäft war, aber

Empfohlene Zitierweise:
Carl Schurz: Lebenserinnerungen bis zum Jahre 1852. Berlin: Georg Reimer, 1911, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schurz_Lebenserinnerungen_b1_s194.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)