Seite:Studie über den Reichstitel 19.png

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Wendung in einem dem Kaiser durch zwei Kardinallegaten überbrachten Schreiben Hadrians IV. den Zorn der Reichsfürsten gegen den Papst und seine Boten erregte und damit der Politik des Kaisers für lange Zeit jene scharfe Wendung gegen die Kurie gab. In dem bekannten, offenbar von Rainald verfaßten Rundschreiben teilte der Kaiser den Vorgang den Fürsten mit und benutzte diesen Anlaß zur Verkündigung des Programmes der neuen Richtung. Er legt Verwahrung ein gegen die Auffassung, daß der Kaiser seine Gewalt vom Papste zu Lehen trage, und betont unter Verwendung der sogenannten Zweischwertertheorie in der antipäpstlichen Form den göttlichen Ursprung der kaiserlichen Gewalt, die unmittelbare Einsetzung des regnum wie des sacerdotium durch Gott. Wenn nun nicht lange nach dem Amtsantritt des neuen Kanzlers und wenige Monate vor dem offenen Ausbruch des Konflikts in Schriftstücken aus der kaiserlichen Kanzlei die den göttlichen Ursprung des Reiches stark betonende Bezeichnung sacrum imperium auftaucht, so wird man kaum umhinkönnen, diese Neuerung mit dem neuen Kurse Rainalds von Dassel in Verbindung zu bringen; denn es kann wohl nicht zweifelhaft sein, daß Rainalds politische Richtung nicht erst durch die Vorgänge zu Besançon entstanden ist, sondern diese vielmehr hervorgerufen hat. Somit werden wir in dem Aufkommen des neuen Reichstitels den Ausdruck einer am Kaiserhofe zur Herrschaft gekommenen politischen Überzeugung erblicken dürfen, eines Titels, der sich auch dann erhielt, als diese Richtung wieder zurücktrat.

Daß die Bezeichnung des Reiches als heilig unter Barbarossa in den Reichstitel aufgenommen ist, hat man schon früher erkannt[1]; nur meinte man unrichtig, daß man die neue Bezeichnung dem bisherigen Reichstitel eingefügt habe, so daß seitdem der volle offizielle Titel des Reiches sacrum Romanum imperium gelautet hätte. Das ist aber nicht der Fall gewesen; vielmehr hat man die gleichzeitige Verwendung der Bezeichnungen Romanum und sacrum oder vielmehr ihre Verbindung noch

fast ein volles Jahrhundert anscheinend konsequent vermieden.

  1. So Bryce, Auflage von 1907, S. 196 und die deutsche Übersetzung S. 144f. Wegen des von ihm zitierten Schreibens an Isaak Angelus vgl. oben S. 11 Anm. 3.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Heiliges römisches Reich deutscher Nation. Eine Studie über den Reichstitel. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1910, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Studie_%C3%BCber_den_Reichstitel_19.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)