Seite:Temme Die Volkssagen der Altmark 057.jpg

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selbst gelehrt haben soll. Sie schnallte ihm dann den Streifen wieder ab, und nun war er wieder ein vernünftiger Mensch.

Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.


64. Der Kobold in Lichterfeld.

Wie in den meisten Gegenden Deutschlands, so ist auch in der Altmark die Sage vom Kobold sehr verbreitet. Man unterscheidet eine doppelte Art, die guten und die bösen. Der gute Kobold hält sich gewöhnlich auf dem obersten Boden des Hauses auf, er wird gehörig gepflegt, und besonders mit Milchsuppen gefüttert. Dafür bringt er Segen ins Haus, er schafft Geld herbei und verrichtet allerlei nützliche Arbeiten. Er muß sehr sorgsam gewartet und gepflegt werden; denn sonst wird er böse, zieht aus dem Hause und steckt es in Brand. Der böse Kobold ist eigentlich so recht böser Natur nicht; er treibt nur gern allerlei Kurzweil, und hat seine Freude daran, die Leute zu necken. Er erscheint in allen möglichen Gestalten, so wie es seine Laune, und der Spaß, den er vorhat, gerade mit sich bringt. Gewöhnlich aber hat er die Gestalt eines kleinen untersetzten Knaben von ungefähr zwei Fuß Größe, und in rothen Kleidern.

Ein gar neckischer Kobold war einmal in dem Dorfe Lichterfeld in der Wische. Es wohnte dort ein Bauer, der eines Tages Korn zu der Stadt gefahren hatte. Wie er zurückfuhr, fand er mitten auf dem Wege einen ganz neuen Kober, der sorgfältig mit Stricken zugebunden und versiegelt war. Der Bauer glaubte einen reichen Fund gethan zu haben; er hob voller Freuden den Kober auf und nahm ihn mit zu Hause. Hier öffnet er ihn geschwind, um zu sehen, was darin sei. Aber zu seiner Verwunderung findet er ihn ganz leer, als er hineinfaßt. Hineinsehen konnte er

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_057.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)