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wird er in einer wüsten Capelle beim St. Marien-Magdalenen-Kirchhof seines Kindes mit Gewalt zerschlagenen Sarg gewahr, und als er dem gottlosen Menschen abermals zuredet, suchet dieser zwar sich zu entschuldigen; der Vater aber will damit nicht zufrieden sein, sondern bringet den Handel vor die Obrigkeit, welche den Uebelthäter zur Haft bringet und das Grab des verstorbenen Kindes öffnen lässet. Da hat man denn das Körperlein gefunden, wie sehr viele Knöchlein und Gliedlein daran gemangelt, worauf man den Verbrecher an die Folter gebracht, und er nun seine Sünden bekannt hat. Er hat dabei auch angegeben, wie er das Pulver, so er von den Gliedern des Kindes gemacht, an vielen Orten ausgestreuet, nämlich auf dem Augustiner-Kirchhof, an dem Orte, wo die Leinewand gebleichet worden, auf dem Steige, der vom Fischerufer heraufgehet, am breiten Wege, und in allen Gassen der Stadt an den Ecken. Er hat das gethan in der Nacht von eilf Uhr an; der Satan ist in Gestalt einer schwarzen Ratze immer neben ihm her gelaufen, und hat zu ihm gesagt: er solle nur sachte wegstreuen, dann werde die Pest schon kommen.

Nachdem der Bösewicht also seine Schandthaten bekannt, ist er durch einen Rathsspruch zum Tode verurtheilet, und darauf mit dem Rade hingerichtet. Dieß ist geschehen am 26sten October 1657. Der Satan hat Gewalt über ihn behalten, bis an sein Ende; denn obgleich die ihm zugeordneten Prediger allen Fleiß an ihm thaten, so hat er doch, wie er zum Tode geführet wurde, von starkem Getränke sehr viel zu sich genommen, und sich nichts denn gottloser Worte gebrauchet.

Gengenbach, Stadt Magdeburg. S. 84-88.
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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_144.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)