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Du sprachst es aus, und Wolken wölben sich,

Dort oben hoch, wie eines Domes Kuppel,
Die Ulmen rauschen auf, wie Orgeltöne,
Die Vöglein zwitschern fromme Andachtlieder,
Der Boden dampft von wallend süßem Weihrauch,

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Der Blumenrasen hebt sich als Altar, –

Nur eine Kirch’ der Liebe ist die Erde.

Zuleima.
Die Erde ist ein großes Golgatha,
Wo zwar die Liebe siegt, doch auch verblutet.

Almansor.
O, flechte nicht zum Todtenkranz die Myrthe,

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Und hüll’ die Liebe nicht in Trauerflöre.

Der Liebe Priesterinn bist du, Zuleima,
Die Liebe wohnt in deines Busens Zelle,
Aus deiner Aeuglein klaren Fenstern schaut sie,
Ihr Odem weht aus deinem süßen Munde –

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Auf Euch, Ihr sammetweiche Purpurkissen,

Auf Euch, Ihr holden Lippen, thront die Liebe,
Auf Euch möcht sich Almansors Seele betten, –

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_200.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)