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Meckel hinzu: „Es ist nicht wahrscheinlich, wenigstens nicht durch die Beobachtung gegeben, daß ein niederes Thier über seine Klasse hinauseilen und eine höhere Form annehmen könne.“ Aber an zahlreichen Beispielen hat er darzulegen sich bemüht, daß durch Hemmungen in der Entwickelung jedes höhere Thier im Ganzen oder in einzelnen seiner Organe auf niederen Stufen festgehalten und dann dem entsprechenden niederen Thiere ähnlich werden könne. Ich habe wohl kaum hinzuzufügen, daß er den Menschen von den übrigen Thieren in dieser Beziehung nicht unterschied.

In der That giebt es auch beim Menschen Fälle, wo eine gewisse Thierähnlichkeit (Theromorphie) besteht. Die Sagengeschichte aller Völker ist voll von solchen Erzählungen. Die Geschichte der schönen Melusine, wie zahlreiche Theile der ägyptischen und griechischen Mythologie können als Belege dienen. So begegnen sich von der einen Seite die Thierähnlichkeit mancher Menschen, von der anderen die Menschenähnlichkeit (Anthropomorphie) mancher Thiere, insbesondere der Affen. Was lag näher, nachdem diese Beobachtung sicher gestellt war, als der Gedanke, daß der Mensch vom Affen abstamme? Dieser Gedanke, schon lange schüchtern geäußert und wenigstens in Beziehung auf die schwarze Rasse von den Sklavenhaltern in den Südstaaten von Nordamerika bis zu hoher Sicherheit ausgebildet, hat auch in Europa in demselben Maaße Anhänger gewonnen, als durch das berühmte Buch Darwin’s über die Entstehung der Arten (1859), die Vorstellung von einer fortschreitenden Ausbildung der organischen Natur von den niedrigsten Anfängen an bis zu den höchsten Formen immer mehr populär geworden ist. Darwin selbst hat sein System nicht so weit ausgebildet, daß er den Stammbaum des Menschen auf den Affen zurückführte, aber Vogt, Huxley, Haeckel[1] u. A. haben es gethan.


  1. [39] Carl Vogt, Vorlesungen über den Menschen. Gießen 1863. Bd. II. S. 260, 276.Thom. H. Hurley, Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur. Aus dem Engl. von V. Carus. Braunschweig, 1863. S. 120. – E. Haeckel, Ueber die Entstehung und den Stammbaum des Menschengeschlechts. 1868. (III. Serie dieser „Sammlung wiss. Vorträge.“ Heft 52 u. 53.)
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Rudolf Virchow: Menschen- und Affenschädel. C. G. Lüderitz’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1870, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Virchow_-_Menschen-_und_Affensch%C3%A4del_-_21.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)