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vom Wirte das sogenannte „Deichselbrot“ vorgesetzt, bestehend in Butter, Käse, Brot, Gurken, Zwiebeln, einer Stange Bier und Branntwein, und zwar einer Flasche „guten“ und einer Flasche „gewöhnlichen“. Kurze Zeit darauf, ehe die Fuhrleute in die Ställe gingen, um nach den Pferden zu sehen, bekamen sie Kaffee in einer riesengroßen Kanne vorgesetzt. Nachdem die Fuhrleute Kaffee getrunken hatten, wurde den Pferden Futter vorgeschüttet, und sodann schritt man zur Abendmahlzeit. Dieselbe[WS 1] bestand für gewöhnlich aus Suppe, Rindfleisch, zweierlei Gemüse, zweimal Braten und Nachtisch. Als solcher wurde eine große Schüssel Quark mit Zwiebeln aufgetragen. Zuletzt gab es Zigarren. Für das Deichselbrot und die Abendmahlzeit zahlten die Fuhrleute insgesamt 75 Pfennige. Die Einnahmen von den Fuhrleuten allein betrugen täglich 50–70 Taler.

Bevor die Fuhrleute zur Hauptmahlzeit schritten, verrichteten sie ihr Tischgebet. Selbiges sprach einer im Namen der anderen. Auch trug man solche Gebete in Abschrift oder Druck bei sich, las sie still für sich, oder man las sie auch laut vor. Ein Morgengebet der Fuhrleute, welches mir im Original zur Einsicht vorlag, lautete wörtlich folgendermaßen:

„Morgengebeth für Fuhrleude.

Habe Dank du Schutzpatron des Fuhrwesens, das du diese Nacht mein fürsprecher gewesen bist, bitte doch, auch heite für mich, das ich nicht in Unglück noch Schaden gerathe, erhalte mich und meine Pferde in guter gesundheit, damit ich das anvertraute Gut glücklich an Ort und Stelle bringen möge. Schenke auch Dauerhaftigkeit meinen Wagen und lasse weder Achse noch Räder brechen, denn ich Zitter, wenn ich in die Hände der fremden Schmiede und Wagner falle, weil schon so oft von ihnen geprellt ich bin, das mir die Augen übergegangen, bewahre mich auch vor den festwilligen Kammerdienern, welche in den Holwegen und Waldungen die Menschen ausziehen, denn das Lumbengesindel hat mir schon einigemahl Winde und Kette gestohlen. Regier du auch die Herren Kaufleute und schenke ihnen gegen mich eine edle und großmithige gesinnung, denn du weißt es ja am besten, das mir armen Fuhrleude auf Reisen die gekwältesten Menschen sind, vorzüglich bei kalter und nasser Witterung, so lenke auch die Hertzen der Herren Zolleinnehmer, und lasse sie denken, das wir kein arabisches golt, sondern Kaufmannsgütter geladen haben, und mit mir Christlich und billig verfahren möchen, mache doch die Befehlshaber der Wege und Straßen recht aufmerksam, die Straße in guten Stande zu halten, damit wir die Barren nicht umsonst bezahlen, und gäbe den Wegwärtern die gewalt nicht, die Fuhrleude so gottlos zu schäuern. Regier auch die Hertzen der Herren Gastwirthe, damit sie bey meiner Ankunft für gute verpflegung sorgen, und ich, nicht auf den Strohlager zitter wie ein Jud der Hängen soll. Behertzige doch auch die Wirthen, das nicht so viel Cigorie in den Caffe thut, die Doktoren behaupten ja, das dieses Blut mit wageschmiere und frühzeitig blinde Augen verursacht und man den ganzen Tage so froh wirde, wie ein Berliner Freudenmächtigen, wenn es spinnen soll, bewahre doch alle Wirthe für doppelter Kreute, und stoße sie in die Rippen, wenn sie ihr gewissen verletzen wollen, auch erinnere sie an ein gutes frühstück, welches wir mitnehmen wollen, dann will ich auch Knecht und Magd nicht vergessen. Erhören mich alle brafen Kauf-, Wirth- und Fuhrleude, andere Menschen möchen sehen, wie sie fertig werden. Amen!“

In einem anderen Zimmer speisten die Gäste. Dieselben konnten dasselbe Essen wie die Fuhrleute erhalten, doch mußten sie höhere Preise zahlen. Für verwöhntere Gaumen der Gäste gab es auch allerhand Geflügel, Fische,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Diesebe
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_170.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)