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Wie die Sage berichtet, sollen im Mittelalter die Felder der Gräfenhainer Flur bis an die Bergkuppe gereicht haben. An dem westlichen Abhange des Berges sind auch deutliche Spuren des Ackerpfluges zu erkennen. –

Der westliche Nachbar des Augustusberges ist der Vogelberg. Auf diesem Berge soll in alten Zeiten ein Dorf gestanden haben, Hainichen genannt. In Kriegszeiten sei es dem Erdboden gleichgemacht worden. Ein Graf habe dann zur Ansiedelung den heimatslos gewordenen Bewohnern in der Niederung Land überlassen. Nach ihm sei die neue Niederlassung genannt worden. Sie habe den Namen „Gräfenhainichen“ erhalten, woraus „Gräfenhain“ wurde. –

Ganz alte Leute wollen sich noch eines unterirdischen Ganges erinnern, der durch den kleinen Keulenberg führe und einst zwei am südöstlichen und westlichen Abhange des Keulenberges gelegene Klöster verbunden habe. Das eine dieser Klöster befand sich im Besitze eines wundertätigen Marienbildes, zu dem alljährlich Tausende strömten. Nicht weit von jenem Kloster entfernt war auch eine heilkräftige Quelle, deren Wasser Wunder gewirkt haben soll. An dieses Kloster am Vogelberge soll heute die Kirche zu Höckendorf, die ursprünglich nur eine Kapelle war und zum nahen Kloster gehörte, erinnern. Vor dem Eingange zur Höckendorfer Kirche befindet sich ein umgestürzter, steinerner Weihkessel, der als ein Ueberrest jenes Klosters bezeichnet wird. Auch eine Heilquelle ist noch vorhanden. In der Nähe der Kirche zu Höckendorf rieselt aus einer Quelle Wasser hervor, das seit Jahrhunderten von den Umwohnern als ein Gesundbrunnen bezeichnet wird. Tatsache soll es sein, daß diejenigen Bewohner Höckendorfs, welche diesen Quell benützten, durch ein hohes Lebensalter sich auszeichneten. –

Zwischen dem großen Keulenberge und dem Vogelberge befindet sich eine Schlucht. In ihr war, wie die Sage erzählt, ehedem ein altheidnischer Kultus- und Begräbnisplatz. Und in Wirklichkeit sind hier früher Urnen und andere Dinge, wie Ringe aus Bronze, ausgegraben worden. Diese Sage ist jedenfalls nicht ganz grundlos, denn auf dem Keulenberge stand ja ursprünglich ein Götzenaltar, und zahlreiche Opfer wurden auf ihm den Göttern dargebracht.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_360.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)