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ein sündenreiner Mensch zu pflücken. Sie dient ihm dann als Schlüssel zu den unermeßlichen Schätzen, die im Innern des Berges vergraben liegen. –

Der südöstlichen Ecke des Schlackenwalles ist eine Felsengruppe vorgelagert, welche im Volksmunde der Gold- oder Geldkeller heißt. Hier sind nach der Sage große Schätze aufbewahrt. Von ehemaligen Löbauer Ratsherrn und Bürgermeistern werden dieselben bewacht. Wenn die Stadt Löbau einmal in Not kommen sollte, dann stellen die Hüter diesen Schatz ihrer Vaterstadt zur Verfügung. In gewissen heiligen Nächten können bevorzugte Bürger Löbaus zu diesem Schatze gelangen. – Alljährlich ist der Goldkeller einmal geöffnet und zwar am Johannistage mittags 12 bis 1 Uhr. Wer in dieser Stunde an jenes Gewölbe kommt, der kann in den Goldkeller gelangen. – Vor Jahren war an diesem Tage ein Knabe aus Löbau oben auf dem Berge. Der Wind ging heftig und nahm ihm seinen Hut. Der Knabe sprang dem Hute nach und sah auf einmal vor sich ein Gewölbe, das mit Gold und Edelsteinen angefüllt war. Eine große Furcht erfaßte ihn. Er stürmte den Berg hinab in die Stadt, wo er den Leuten alles erzählte, was ihm begegnet war. Als nun die Leute nach der von ihm bezeichneten Stelle gingen, fanden sie keine Höhle, wohl aber viele Felsentrümmer und viel Gestrüpp. –

In dunklen Herbstnächten jagt in den Forsten des Löbauer Berges der wilde Jäger Berndittrich. Bald ohne, bald mit dem Kopfe stürmt er zu Pferde durch die Wälder. Doch tut er niemandem etwas zu leide; freilich wer ihn neckt, den straft er mit einem Stück Fleisch, das er ihm zuwirft. – Bei dem Dorfe Mönchswald befinden sich ein Nadelgehölz und ein bewaldeter Berg, der „Pan-Dittrich“ genannt. Dort hauste nach der Sage der wilde Jäger einst auf einer Burg als gefürchteter Raubritter. Von dieser Burg sieht man freilich nur noch Steingeröll. Der Ritter findet im Grabe keine Ruhe und jagt nun zur Nachtzeit, oft aber auch in den hellsten Mittagsstunden in den Forsten der Lausitz. –

In früheren Zeiten wurde am Löbauer Berge Bergbau auf Silber und Gold getrieben. Im 16. Jahrhunderte waren zwei Bergwerke im Betrieb. In dem einen grub man nach Blei, in dem anderen nach Galmei und Wesmuth. – Beim Bau der großen Eisenbahnbrücke, welche über das Löbauer Wasser sich spannt, stieß man auf einen verschütteten Schacht. –

Im Innern des Löbauer Berges befinden sich große Höhlen. Dort wohnen, wie man sich erzählt, graubärtige Männlein, die am Kegelschieben sich ergötzen. Oft kann der Wanderer das Rollen der Kugeln, das Fallen der Kegel aus dem Innern des Berges vernehmen. Viele wollen es schon gehört haben. –

Wie glaubwürdige Leute erzählen, soll auf dem Löbauer Berge nach der denkwürdigen Schlacht bei Bautzen eine französische Kriegskasse vergraben worden sein. Mit Bestimmmtheit will man selbst den Ort angeben können, wo dieser Kriegsschatz liegen soll. Im Jahre 1823 wurden Holzfäller, welche am Löbauer Berge arbeiteten, von einem Fremden, der schlecht deutsch sprach, nach dem mutmaßlichen Aufbewahrungsorte des sagenhaften Kriegsschatzes befragt. Der Fremde habe dann an der von den Waldarbeitern bezeichneten Stelle gegraben und sei darauf plötzlich verschwunden. – In mondhellen Nächten, öfters aber auch in der sonnigen Mittagszeit, jagt in den Wäldern am Löbauer Berge die wendische Jagd- und Waldgöttin „Dziwica.“ – Ihr zu begegnen, bedeutet Glück. –

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Bernhard Störzner: Was die Heimat erzählt. Arwed Strauch, Leipzig 1904, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_die_Heimat_erz%C3%A4hlt_(St%C3%B6rzner)_382.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)