Seite:Wilamowitz Geschichte der griechischen Sprache 06.jpg

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Origenes spricht in seinen Predigten schon ganz anders als Epiktet, und ich glaube doch zu bemerken, daß er sich in ihnen zu seinen Hörern herabläßt, denn die Bücher gegen Celsus halten sich in einer ganz anderen Höhenlage. Die Rhetorik, von der Clemens starken Gebrauch macht, hat Origenes freilich immer verschmäht. Gerade in ihr kommt bald nach ihm eine Richtung auf, die insofern modern ist, als sie der Veränderung der Betonung, dem exspiratorisch gewordenen Akzente Rechnung trägt, und das kommt nach Überwindung des antiochenischen Attizismus zur Herrschaft und wirkt stark auf die Wortstellung und damit auf den Satzbau ein. Nuancen der Wortbedeutung machen sich fühlbar, papierne Neubildungen werden häufig und kontrastieren übel mit längst verschollenen, auch wohl poetischen Vokabeln, aber das Schriftbild bleibt durch die Jahrhunderte dasselbe, obwohl der Klang der gelesenen Rede ganz verschieden geworden ist. Konnten Hexameter, wie sie der Silentiar Paulus in der Sophienkirche vor dem Hofe Justinians vortrug, überhaupt noch wie Hexameter klingen? Doch nur darum, weil man die Hexameter Homers ebenso sprach und ihren wahren Rhythmus ebensowenig fühlte, wo denn die nonnischen Kadenzen dem Ohre wohlgefälliger sein mußten[1].

Von allen den Jahrhunderten seit Augustus will ich gar nicht reden. Da ist die Sprache, welche die Literatur schreiben will, Nachahmung einer als klassisches maßgebendes Vorbild anerkannten Form. Es wird nun für die Prosa durchgeführt, was für die Poesie längst anerkannt war, eigentlich von Anfang an. Denn Homer schreibt bereits eine sehr künstliche Literatursprache, die er hat lernen


  1. Eine Frage für sich ist, wie weit Justinian und Theodora samt ihren zum Teil ungriechischen Würdenträgern die Verse überhaupt verstehen konnten. Sie werden sich mit Anstand gelangweilt haben, wie einst mancher Fürst bei lateinischen Reden.