Seite:Wilamowitz Geschichte der griechischen Sprache 35.jpg

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auf Stein erhalten sind, ist unverkennbar. Auch sie streben Fülle und Würde an, die alte klassische Kürze ist aufgegeben; die Gehaltlosigkeit hatte den rhetorischen Aufputz als Ersatz auch bitter nötig. Der Aufbau der Sätze und die Formeln sind überall im wesentlichen dieselben, wo sich in den hellenischen Gemeinden Selbstverwaltung oder doch ihr Schein erhalten hatte. Daher gelingt den Epigraphikern die sichere Ergänzung schwer verstümmelter Urkunden, wenn ihr Gedächtnis die Parallelen beizubringen weiß[1]. Die Epigraphik ist auch imstande, aus den Schriftformen die Zeit oft bis auf ein Menschenalter zu bestimmen. Die durch die Königsjahre datierten Urkunden Ägyptens treten dazu, so daß sich wenigstens von diesem Stil die Entwicklung vom vierten bis in den Anfang des ersten Jahrhunderts verfolgen läßt. Die Briefe und Erlasse der Könige, so weit sie aus der Kanzlei stammen, reihen sich hier leicht ein. W. Schubart[2] aber hat mit feinem Stilgefühl einige wenige ausgesondert, deren individuelle Fassung die Hand oder das Diktat des Königs erkennen läßt, was dann immer ganz besondere Beachtung verdient, gerade weil es von dem Kanzleistil absticht. Damit dieser in seiner Entwicklung uns die Sprachgeschichte zeige, ist eine zusammenfassende Prüfung der Formeln nach Zeit und

  1. Neben Adolf Wilhelm, der schon lange hierin der Meister ist, hat ein junger französischer Gelehrter, Charles Robert, neuerdings ganz überraschendes zu finden gewußt.
  2. Archiv für Papyrusforschung VI 324.