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Posaunen und Trompeten erschallten, Pauken und Trommeln wirbelten. So führten sie einen Kriegstanz auf. Die Musik brachte zum Ausdruck, wie Tsiän Tang die feindlichen Reihen durchbrochen. Dem Gaste, der das hörte, sträubten sich vor Furcht die Haare. Dann wieder ertönten Saitenspiel, Flöten und goldene Glöckchen. In roter und grüner Seide tanzten tausend Mädchen einen Reigen. Die Rückkehr der Prinzessin wurde durch die Töne ausgedrückt. Sie klangen wie Gesang, wie Schluchzen, wie Trauer, wie Klagen, und alle, die sie hörten, wurden zu Tränen gerührt. Der König vom Dungting-See war hocherfreut. Dann hob er den Becher und trank dem Gaste zu, bis sie vom Weine aller Sorgen ledig wurden. Die beiden Herrscher dankten dem Gaste in Versen, und auch Liu I erwiderte in einem gereimten Trinkspruch. Die Höflingsscharen im Palaste riefen Beifall. Dann nahm der König vom Dungting-See einen blauen Wolkenkasten hervor, in dem das wasserzerteilende Nashorn lag. Tsiän Tang tat eine Platte von rotem Bernstein hervor mit einem Karfunkelstein darauf. Die schenkten sie dem Gaste, und auch die andern im Palast häuften an seiner Seite Stickereien, Brokate und Perlen auf. Von Glanz und Schimmer umflossen saß Liu I da und dankte lächelnd nach allen Seiten. Als das Mahl zu Ende war, schlief er im Schloß des gefrorenen Glanzes.

Tags darauf wurde wieder ein Mahl gehalten. Tsiän Tang, der etwas betrunken war, saß lässig da und sprach: „Die Königstochter vom Dungting-See ist fein und hübsch. Sie hat das Unglück gehabt, von ihrem Gatten verstoßen zu werden. Heute ist ihre Ehe gelöst. Ich möchte nun einen andern Mann für sie haben. Wenn Ihr einverstanden wäret, so wäre es auch für Euch von Vorteil. Seid Ihr aber nicht gewillt, so möget Ihr Eure Straße ziehen, und wenn wir uns einmal wieder treffen sollten, so kennen wir uns nicht mehr.“

Liu I ward böse über die lässige Art, mit der Tsiän Tang[1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Tiän
Empfohlene Zitierweise:
Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_167.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)