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ihn sich anziehen. Dschang Liang tat auch diesen Dienst auf ehrerbietige Art. Da freute sich der Greis und sprach: „Kindchen, du bist zu brauchen! Komm morgen früh, ich hab etwas für dich!“

Am andern Tag, als es eben dämmerte, kam Dschang Liang an. Der Greis war schon da und tadelte ihn: „Du kommst zu spät! Heut sag ich dir nichts. Morgen mußt du früher kommen.“

So gings drei Tage lang, und Dschang Liang ward nicht müde. Da war der Greis zufrieden, holte das Buch von den geheimen Ergänzungen hervor und gab es ihm. „Das mußt du lesen!“ sagte er; „dann wirst du der Meister eines großen Kaisers. Wenn du dein Werk vollbracht, so suche nach mir am Fuß des Gu Tschong Berges. Dort wirst du einen gelben Stein finden, das bin ich.“

Dschang Liang nahm das Buch und half dem Ahn des Hauses Han bei der Eroberung des Reiches. Der machte ihn zum Grafen. Von dieser Zeit an enthielt sich Dschang Liang der menschlichen Nahrung und sammelte sich im Geiste. Er pflegte Verkehr mit den vier Weißbärten vom Schangberge und genoß mit ihnen das Abendrot in den Wolken. Er begegnete einmal ein paar Knaben, die sangen und tanzten.

Ein Knabe sang:

„Grüne Kleider mußt du tragen,
Dann kommst du ans Himmelstor.
Mußt die goldne Mutter grüßen
Und dich vor dem Holzherrn neigen!“

Als Dschang Liang das hörte, verneigte er sich vor dem Knaben und sagte zu seinen Freunden: „Das sind Engelkinder des Königvaters vom Osten. Die goldne Mutter ist die Königin des Westens. Der Holzherr ist der Königvater des Ostens. Das sind die beiden Urkräfte, die Eltern des Männlichen und Weiblichen, die Wurzel und Quelle von Himmel und Erde, denen alles Lebende seine Entstehung und Nahrung verdankt. Der Holzherr ist der Meister der

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_258.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)