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Tatsächlich lagen auch schon lange die Brautgeschenke der Familie Yüan bei uns im Haus. Aber ich sann und sann und konnte es nicht über mich bringen. Für heute abend war die Hochzeit festgesetzt, und mein Vater hielt es für eine Schmach, das Brautgeschenk zurückzubringen. Ich nahm die Sachen selbst und stellte sie ihnen vor die Tür. Als ich herauskam, lief mein Vater neben mir her. ‚Verrückte Dirne,‘ sagte er, ‚daß du nicht auf meine Worte hörst! Wenn dir bei den Siäs es künftig wieder schlecht ergeht, so frag ich nichts danach. Mögen sie dich totmachen, heim kommst du mir nicht mehr!‘“

Gerührt von ihrer Treue fielen dem Siä die Tränen nieder. Die Diener eilten voller Freude zu den Eltern, ihnen die frohe Nachricht zu bringen. Als die es hörten, warteten sie nicht ab, bis die jungen Leute zu ihnen kamen, sondern liefen selber in das Haus des Sohnes, faßten sie bei der Hand und weinten. Der junge Siä war nun allmählich auch gesetzt geworden und ließ seinen Mutwillen. So ward die Liebe zwischen ihm und seiner Frau von Tag zu Tag aufrichtiger.

Einst sprach die Prinzessin zu ihm: „Früher, als du mich immer so schlecht behandeltest, da fürchtete ich, wir würden nicht beisammen bleiben bis ins Alter. Darum wagte ich nicht, einem unglücklichen Kinde das Leben zu geben. Nun ist das alles anders, und ich will dir einen Sohn gebären.“

Und richtig, nicht lange danach erschienen die göttlichen Schwiegereltern in roten Gewändern wieder im Haus, und tags darauf kam die Prinzessin nieder. Und zwei Söhne auf einmal konnte der glückliche Vater herzen.

Von da ab hörte der Verkehr mit Froschkönigs nicht mehr auf. Wenn jemand aus dem Volk den Gott zum Zorn gereizt, so suchte er erst bei dem jungen Siä Fürbitte zu erlangen und schickte Frau und Tochter in vollem Staat zu der Froschprinzessin, um sie anzuflehen. Lachte die Prinzessin, so war alles gut.

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Richard Wilhelm: Chinesische Volksmärchen. Eugen Diederichs, Jena 1914, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_ChinVolksm_324.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)