Seite:Zerstreute Blaetter Band III 101.jpg

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unseres Körpers und unsrer Seele. Die Regeln indeß der Vorstellung und Empfindung bleiben dieselben; ja durch jeden Fall der Veränderung wird ihre innere Wahrheit bewähret. Also ist es thöricht, der Seele vorzuschreiben, wie irgend Ein Bild der Natur von ihr gebraucht werden soll; nach innern Regeln des Verstandes und Bewußtseins muß sie es brauchen lernen, wie dieses Kunstwerk in seinem Zweck, zu seiner Zeit, nach seinem Ort, nach der Empfindungsart des Künstlers und Liebhabers das Bild fodert.

Man nehme z. B. Eine und dieselbe Allegorie, Ein und dasselbe Gleichniß und wolle sie in einem mathematisch-philosophischen Buch, oder in einer Rede, einem Lehrgedicht, einem Liede, einer Ode, einer Epopee[1], in einem Trauer-Lustspiel und wo weiß ich mehr? anwenden. Sagt uns nicht der innere Sinn, daß an keinem dieser Orte das Bild ausgeführt werden könne,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_101.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)

  1. épopée = epos