Seite:Zerstreute Blaetter Band III 105.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Art, wie Du solche wahrnehmest, wie der Geist Deiner Poesie sie fodert; nie wirst du sodann in Verlegenheit seyn, dem alten Dichter Eines seiner Gleichnisse entwenden zu müssen, ja du würdest sie unverändert kaum gebrauchen können, wenn sie dir auch alle geschenkt würden. Der Geist dichtet: der bemerkende innere Sinn schafft Bilder. Er schafft sich neue Bilder, wenn die Gegenstände auch tausendmal angeschaut und besungen wären: denn er schauet sie mit seinem Auge an, und je treuer er sich selbst bleibt, desto eigenthümlicher wird er zusammensetzen und schildern.

Auch das Uebermahlen fremder Werke ist daher immer eine mißliche Arbeit. Gesetzt, du fügtest auch dem Bilde des Andern einen schönen Zug, der Allegorie eine neue treffende Bedeutung bei; du zerstörtest aber damit die eigenthümliche Harmonie des ganzen Gemäldes; wäre wohl der hereingemahlte blendende Farbenstreif

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_105.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)