Seite:Zerstreute Blaetter Band III 201.jpg

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Neidend stand das andre Licht und sah, daß es die Herrliche nicht zu überglänzen vermochte. „Was sollen, sprach sie murrend bei sich selbst, zwei Fürsten auf Einem Thron? Warum muß ich die Zweite und nicht die Erste seyn?“ –

Und plötzlich schwand vom innern Grame versagt, ihr schönes Licht hinweg. Hinweg von ihr floß es weit in die Luft und ward das Heer der Sterne.

Wie eine Todte bleich stand Luna da, beschämt vor allen Himmlischen und weinte laut. „Erbarme dich, Vater der Wesen, erbarme dich mein!“

Und ein Engel Gottes stand vor der Verfinsterten da und sprach zu ihr des heiligen Schicksals Wort: „Weil du das Licht der Sonne beneidet hast, Unglückliche, so mußt du künftig nur von ihrem Lichte glänzen; und wenn dich jene Erde dort vertritt: so stehest du, halb oder ganz, verfinstert da wie jetzt.

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Dritte Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1787, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_III_201.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)