Seite:Zerstreute Blaetter Band I 161.jpg

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auch die Sannenpfeile, in denen alle Stralen der Farben und Schönheit liegen. Also, meine Tochter Malerey, vertheidige dich besser; jetzt scheinest du noch überwunden. Von Wirkung, nicht vom Umfange der Kunst, war die Rede.

     Die Malerey that also den zweyten Lauf. Eben meine Wirkung, Vater, ist über allen Widerspruch die reinste und klärste, die erhabenste und daurendste Wirkung. Meine Schwester hatte Ursach zu sagen, daß ihre Töne unscheinbar, d. i. dunkel in einander liegen: sie und ihre Wirkung sind allerdings sehr dunkel. Kann jemand wohl, was Töne sagen wollen, sagen? reden sie nicht die verworrenste Sprache von Halbempfindungen, die sich unsrer Seele immer zu nähern scheinen und sie nie fassen; die immer wie Sand oder Wellen des Meers uns umspühlen, uns umrauschen und nie ihre Wirkung in uns nur halb vollenden. Vorüber sind sie, wie der Bach, wie das Lüftchen und wo ist nun ihr Bild? wo ihre Stimme und Sprache? Ich hingegen darfs rühmend wiederhohlen, mache die bestimmteste, klärste,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_161.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)