Seite:Zerstreute Blaetter Band I 214.jpg

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dem Thron Jupiters nieder und sprach: gewaltiger Gott, laß meine Gestalt verschwinden unter den Göttern; aber mein Herz, meine Empfindung tilge nicht aus und trenne mich nicht von denen, denen ich aus meinem Herzen das Daseyn gegeben habe. Wenigstens unsichtbar will ich um sie seyn, damit ich jeden Hall des Schmerzes und der Freude, mit dem ich sie glücklich oder unglücklich begabte, mit ihnen fühle, mit ihnen theile.

     Und was würde es dir helfen, sprach der Gott, wenn du ihr Elend unsichtbar mit ihnen fühltest und ihnen nicht beyzustehen, ihnen auf keine Art sichtbar zu werden vermöchtest? denn das letzte versaget dir doch der unwiderrufliche Spruch des Schicksals.

     "So laß mich ihnen nur antworten dürfen; unsichtbar nur die Laute ihres Herzens wiederholen können und mein Mutterherz ist getröstet."

     Jupiter berührte sie sanft und sie verschwand sie ward zur Gestaltlosen, allverbreiteten Echo. Wo eine Stimme ihres Kindes tönet, tönet das Herz der Mutter nach: sie spricht aus jedem Geschöpf,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_214.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)