Seite:Zerstreute Blaetter Band I 248.jpg

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vertraulich leben: sind deßhalb diese Thiere auch gewandert? Hat der gescheutere Hund oftmals Hund seyn müssen, um, was er ist, zu werden? Oder kommt nicht offenbar alles auf glücklichere Organisation, fröhlichere Erzeugung, edlern Stamm, gute Umstände des Landes, des Klima, der Geburt, Erziehung und des hundertarmigen Zufalls an, der sich so schlimm in allen seinen Gelenken herzählen und modeln läßt? Nun vergleichen Sie Thiere und Menschen, ein Hackbrett von zwey Saiten mit der Laute, der Orgel! Welche unendliche Verschiedenheit muß im Menschengeschlecht herrschen, eben weil der Umfang seiner Kräfte so groß, seine Bildung so zart, seine Fähigkeiten so vielfach, das Klima in dem er lebt, die Welt von Umständen, die auf ihn wirken, so ungeheuer mancherley, kurz, die Glieder seiner Kette so commensurabel und so incommensurabel sind, wie Sie sichs nur denken wollen. Was kann aus einem Menschen werden! Wer hat noch je das Ziel gesetzt, wie viel und nicht mehr aus einem derselben werden könnte?

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_248.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)