Seite:Zerstreute Blaetter Band I 275.jpg

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Sklav in goldnen, minder, als der in eisernen Ketten? Wo wohnt die Vollkommenheit auf unsrer Erde? und wo hat sie sich ein Haus erbauet? Hat sie uns über sich zu Richtern gesetzt? uns, die wir selbst nur von den Almosen ihrer Milde und Huld leben? Gott schuf uns nicht, das menschliche Geschlecht zu richten, sondern in ihm zu leben, uns unsrer Stelle zu freun, und es selig zu machen, wo und wie weit wir können. Er selbst that nicht mehr, als er nach seiner Weisheit thun konnte und nach seiner Güte thun mußte. Mit Beyden gieng er zu Rath, und so schuf er unser Geschlecht. Wer kann fragen, warum nicht höher? Warum nicht tiefer? Gnug, es ist da, und jeder mag sich freuen, daß er da sey; seines Lebens genießen, und dem, der ihn hiehergebracht hat, auch zutrauen, daß er ihn hinaus und weiter zu führen wissen werde.

     Ch. Die Ungleichheiten der Menschen auf unsrer Erde finden also keine Erläuterung?

     Th. Keine als die: sie lagen im Plan der Schöpfung. Unser Planet, wie er jetzt einmal ist, sollte tragen, was er tragen, hervorbringen,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_275.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)