Seite:Zerstreute Blaetter Band I 357.jpg

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schlagenden Herzens setztest, und jedem derselben seinen für andre unübersehbaren, unerklärlichen, unfühlbaren Genuß gabest. Deine ganze Schöpfung ist ein Gewebe, das die Macht aus dem Nichts hervorzog, die Weisheit einschlug, und dem die Liebe ihre tausendgestaltige sinn- und liebreiche Figuren einwebte. Wer sollte Dich also nicht lieben, da jedes Geschöpf nur zu Dir ziehet, zu Dir weiset? und wer kanns, wie er sollte: da er im Meer deiner Gedanken und vorgefühlten Empfindungen untergeht, und auch über sich selbst in die tiefste Tiefe sinket? Du hast das Schicksal aller Eltern, daß sie mehr lieben, als geliebt werden; aber du hast vor allen das voraus, daß Du die Sehnsucht nach Dir in mir selbst erschaffen hast, und mich an Banden des Erkenntnisses und der Liebe Dir immer näher zuführen kannst. Mein ganzes Herz sagt mirs, Du werdest und müssest es thun: denn das kleine Fünkchen Erkenntniß und Liebe in mir ist ja nur ein Abglanz der unendlichen Flamme deines Herzens. Du mußt mich also tausendfach inniger erkennen,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_357.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)