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Der junge Huysmans war beim Beginn des deutsch-französischen Krieges zweiundzwanzig Jahre alt. Er trat als Freiwilliger in die französische Armee ein, wie er dies uns selbst in der Novellensammlung Les Soirées de Médan in der Erzählung Sac au dos schildert.

Sie fangt so an: „Als ich meine Schulzeit absolviert hatte, suchte ich auf den Wunsch meiner Familie den gefürchteten grünen Tisch auf, um den mehrere alte Herren sassen, die voll Eifer untersuchten, ob ich genug von den toten Sprachen wisse, um zu dem Rang eines bachelier zugelassen zu werden.

Ich legte ein gutes Examen ab. Ein gemeinschaftliches Mahl versammelte die ganze Familie um mich her; man sprach über meine Zukunft, und entschied sich dahin, dass ich Jurisprudenz studieren sollte.

Bald stand ich vor meinem ersten akademischen Examen. Ich verkehrte viel im Quartier latin, woselbst ich die Bekanntschaft von Studenten machte, die alle Abende bei einem Glas Bier ihre politischen Meinungen austauschten. In dieser Zeit las ich die Werke von Georges Sand und Heine, von Edgar Quinet und Henri Murger.

So verlief ein Jahr. Die allgemeinen Wahlen vor dem Zusammenbruch des zweiten Kaiserreichs (Mai 1869) liessen mich kalt. Da ich weder einen Senator, noch einen Ausgewiesenen Vater nannte, musste ich mich ja unter jeder Regierung dem Zustande von Dürftigkeit und Entbehrung, in dem meine Familie schon lange lebte, unterwerfen.

Meine juristischen Studien machten mir wenig Freude. Mir war, als hätte man die Gesetzentwürfe absichtlich so schlecht geschrieben, um gewissen Leuten genügende Gelegenheit zu kleinlichem Streite über dies oder jenes Wort zu geben. Und noch heute steht es bei mir fest, dass ein deutlich formulierter Satz niemals Gelegenheit zu vielerlei Deutungen geben kann.

Ich dachte über diesen oder jenen Beruf nach, den ich ohne inneren Widerstreit hätte ausüben können, als mir plötzlich der Kaiser selbst einen verschaffte: die Ungeschicklichkeit seiner Politik machte mich zum Soldaten.“

Der Exkaiser Napoleon III. starb am 9. Januar 1873 zu Chislehurst. Huysmans’ Novelle, oder besser gesagt, Lebensgeschichte aus den Jahren 1870 und 1871 erschien gegen 1880. Die düstere, niedergeschlagene Stimmung – aus der Armut und Entbehrung seiner Knaben- und Jünglingsjahre erzeugt – spricht deutlich aus dem Anfang des Sac au dos.

Huysmans wurde Soldat, obgleich er sich für den Krieg durchaus nicht begeistern konnte. Er wurde der garde mobile de la Seine zugeteilt, ging fortan in dunkelblauer Jacke und hellblauer Hose mit breitem, roten Streifen, und zog an einem gewitterschwülen Juliabend mit einem schweren Ranzen auf der Schulter an die bedrohten Grenzen. Vorläufig musste er in Châlons bleiben , woselbst die jungen Soldaten an allem Mangel litten, wo nichts geordnet war; keine Kantine, kein Stroh, keine Mäntel, keine Waffen; nichts war da.

Schon nach Verlauf einiger Tage machte ihn die Feuchtigkeit seines Zeltes krank. Man bringt ihn in eine überfüllte Ambulance, gibt ihm einen grauen Mantel mit Kapuze, eine rote Hose und eine weisse Schlafmütze. Der Lazarettarzt zeigt sich gegen seine Patienten als unerträglichen Tyrannen. Noch nicht vollständig wieder hergestellt, muss Huysmaus die Uniform wieder anziehen: die Preussen nähern sich Châlons. Noch sehr schwach, litt er ganz ausserordentlich bei der Eisenbahnfahrt. Wenn er es nicht selbst erzählte, würde man

Empfohlene Zitierweise:
diverse: Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur. Oppeln und Leipzig: , 1889, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZfSL_-_43.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)