Seite:Ziehnert Sachsens Volkssagen II 104.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

„Morgenwärts nach dieser Gegend
     flohen wir den ganzen Tag,
bis ich matt und unvermögend

140
     neben ihm zusammenbrach.

Lüstern hielt er mich umfangen,
     widerstehen konnt’ ich nicht;
seinem sündigen Verlangen
     und der Liebe wich die Pflicht.“

145
„O, er wußte mein Gewissen,

     und mein letztes Widerstehn
mit betrügerischen Küssen
     teuflisch zu beschwichtigen.
Mörd’rin war ich schon geworden

150
     durch die sünd’ge Gluth für ihn;

nicht genug, ich wurde dorten
     auch zur Ehebrecherin!“ –

„An jedwedem Sinn durchdrungen
     von der Angst und bösen Lust,

155
hatte mich der Schlaf bezwungen,

     ohne daß ich’s mir bewußt;
und, o Gott, als ich erwachte,
     hatte mir der böse Mann,
der mich zur Verbrechrin machte,

160
     noch das Aergste angethan.“


„Ein Gehäng von Karniolen
     und ein Kreuz von Chalcedon,
hatt’ er mir im Schlaf gestohlen,
     ach, und war damit entflohn.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_104.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)