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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Drauf läßt er sie nach Willen gehen,
und ohne sich mehr umzusehen,

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     geht er ihr nach. Der Faden weist

     sich ab, so wie die Henne läuft.

     Er hält ihn sorglich in der Hand,
     damit, wenn ja von ohngefähr
     die Henn’ im Finstern ihm verschwand,

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     er doch des Rückwegs sicher wär’,

und folgt ihr mit getroster Seele,
und kommt tief in die finstre Höhle,
     und fürchtet nur, daß sich das Nest,
     im Finstern nicht erkennen läßt.

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     Da wird es plötzlich vor ihm licht

     und hell, wie blauer Schwefelschein;
     er sieht – ihm blendet’s das Gesicht,
     ihm schreckt’s wie Eis durch Mark u. Bein –
er sieht ein schwarzes Ungeheuer,

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die Augen dunkelgrünes Feuer,

     die Krallen glänzendblau wie Stahl,
     im Rachen Zähne ohne Zahl.

     Es glotzte ihn entsetzlich an
     so starr als wie ein Marmelblock.

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     Daneben stand ein kleiner Mann

     im aschengrauen Mantelrock,
der trug ein Säcklein in den Händen,
mit Geld gefüllt an beiden Enden,
     und rief mit dumpfem hohlen Ton:

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     „Tritt näher nur herzu mein Sohn!“


Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_229.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)