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In dem Artikel wird Bezug genommen auf ein Inserat – unterzeichnet „Mehrere Mitglieder der Estorff’schen Familie“ - in Nr. 51 (1873) der Zeitschrift „Ueber Land und Meer“, S. 1015. Dieses sei zum besseren Verständnis hier wiedergegeben:

In der „Gartenlaube“ Nr. 17 vom Jahre 1872 erschien das folgende, in mehrern Theilen fälschliche Inserat: „Eine Mutter sucht ihr Kind: Agnes von Estorff. Am 1. November 1863 wurde einer Dame in Deutschland ihr einziges, damals 3½ Jahr altes Töchterchen entrissen und nach Bex im Canton Waadt in der Schweiz gebracht. Das Kind ist am 8. April 1860 geboren. Der Thäter wurde von der königlich hannov., nunmehr preuß. Staatsanwaltschaft in Lüneburg sogleich steckbrieflich verfolgt. Der Staatsrath in Lausanne aber verweigerte seine und des Kindes Auslieferung an die hannov. und später an die preuß. Regierung, weil zwischen der Schweiz und den betreffenden deutschen Staaten keine Cartelverträge bestünden. Im Winter von 1864/65 wurde das Kind in dem H. Métropole in Genf noch gesehen; seitdem aber ist dasselbe für die Mutter spurlos verschwunden. Wer Auskunft über das Leben oder den gegenwärtigen Aufenthalt des Kindes zu geben vermöchte, wird im Interesse der schwergeprüften Mutter gebeten, seine Angaben bei der Redaktion der Gartenlaube niederzulegen.“

Dasselbe kam erst sehr verspätet zur Kenntniß der Estorff’schen Familie. Nachdem nun die unten folgende wahrheitsgetreue Erwiederung aufzunehmen von der Redaktion der Gartenlaube unbegreiflicherweise consequent erweigert worden ist, so erfolgt zur Richtigstellung der Thatsachen und zur Beruhigung des Publikums dieselbe hiermit wortgetreu in Folgendem:

Erwiederung

auf das fälschliche Inserat: „Eine Mutter sucht ihr Kind“ (v. Nr. 17 der Gartenlaube v. J. 1872).

Wir freuen Uns, konstatiren zu können, daß das betreffende junge Mädchen, obwohl von Natur zart, sich doch ganz wohl in einer ausgezeichneten Erziehungsanstalt befindet, um hoffentlich ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden, während es bei der Mutter, körperlich, geistig u. moralisch vernichtet gewesen wäre, wie aus folgenden durchaus wahrheitsgetreuen, aus einer Menge traurigsten Materials nur beispielsweise herausgenommenen, theils durch amtliche ärztliche Atteste, theils durch zuverlässige Zeugen, erweislichen Thatsachen hervorgeht: Schon gleich nach dessen Geburt wollte die Mutter das Kind tödten, so daß, zum Schutze desselben, Tag und Nacht Wache gestellt werden mußte; bei außerordentlich starker Winterkälte wollte sie mit dem Kinde im dünnsten Nachtgewande auf dem steinernen Außensöller ohne Decke schlafen und ward dem beiderseitigen Erfrieren nur mit Gewalt vorgebeugt; einmal wollte sie ihren Mann, ein anderes Mal ihr Kammermädchen erschießen; sie drohte oft mit Erschießen und Ersäufen, stürzte sich auch einmal bei Winterkälte ins Wasser, aus welchem ihr Mann sie errettete; sie kampirte im leichtesten Ballkostüme, nachdem sie entlaufen, in kalter Winternacht in dem mehrere Fuß hohen Schnee der Straße einer großen Stadt, wo sie die am frühen Morgen auffindende Polizei ohrfeigte; sie zertrümmerte in ihren sehr zahlreichen und sehr heftigen Tobsuchtsanfällen nicht allein die werthvollsten Sachen ihres Mannes, stärkste eichene Thüren u. s. w., sondern mißhandelte und verwundete vielfach ihren Mann, welcher oft größter Lebensgefahr durch sie ausgesetzt war, die Dienstboten und selbst einen zu Hülfe gerufenen Arzt. Auf Grund der Zeugnisse der sie behandelt habenden Aerzte und nach Konsultation ihrer eigenen Mutter mit diesen, sowie mit schriftlicher Bewilligung ihrer Eltern, ward sie, falls noch Heilung möglich sei, versuchsweise in einer ausgezeichneten Staatsanstalt für Geisteskranke aufgenommen, aus dieser aber nach fünfmonatlichem Aufenthalte entlassen, wegen des unheilvollen Einflusses auf die übrigen Irren, und zwar mit dem, dem betreffenden Oberamtsgerichte eingesandten Zeugnisse des Direktors und ersten Arztes: „entlassen nicht als geheilt, sondern wahrscheinlich zeitlebens unheilbar.“ Als die Mutter in jenem Irrenhause aufgenommen ward, nahm zuerst eine sehr nahe mütterliche Verwandte, alsdann eine hochachtbare Freundin derselben das Kind zur Pflege und Erziehung zu sich (wofür die Mutter sie zu ermorden brieflich androhte), in welcher ausgezeichneten Obhut es blieb, bis der Vater, dessen Gesundheit durch die miterlebten jahrelangen furchtbaren Scenen auf’s Tiefste erschüttert war, von seinen Gesundheitskuren im südlichen Europa zurückkehrte und sich nun, zuerst mit Hülfe einer Gouvernante, dann von Erzeihungsanstalten, in liebevollster treuester Weise ganz dem Wohle seines einzigen Kindes widmte.

Mehrere Mitglieder der Estorff’schen Familie.