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Unsichtbare, photographisch wirksame Strahlen

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Textdaten
Autor: Otto Walkhoff
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Titel: Unsichtbare, photographisch wirksame Strahlen
Untertitel:
aus: Photographische Rundschau 28 (Okt. 1900) S. 189-191.
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1900
Verlag: Knapp
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Erscheinungsort: Halle
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Pdf auf Commons
Kurzbeschreibung: Vortrag
Vortrag, gehalten im Klub der Amateurphotographen zu München.
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[189] Unsichtbare, photographisch wirksame Strahlen[1]


Die Kenntnis unsichtbarer, photographisch wirksamer Strahlen datiert erst aus dem letzten Jahrzehnt. Die Vorläufer der Auffindung und Untersuchung derselben seitens der Physiker waren Beobachtungen, welche an Geisslerschen Röhren gemacht wurden. Hittorf fand bei stärkerer Luftverdünnung in denselben, dass von der Kathode Strahlen als schwach bläulicher Faden ausgehen. Crookes experimentierte später mit noch größerer größerer Luftverdünnung; wenn derselbe auch das Experiment in elegantere Form brachte, so hat Hittorf jedenfalls das Hauptverdienst, die Aufmerksamkeit der Physiker auf die folgenreiche Beobachtung gelenkt zu haben. Der letztgenannte Forscher wies vor allen Dingen nach, dass die Kathodenstrahlen sich nur geradlinig ausbreiten und dass, wenn sie etwa in einer gebogenen Geisslerschen Röhre erzeugt werden, sie nicht aus dem Knick heraustreten, sondern die Glaswand an letzterem lebhaft zur Phosphorescenz anregen.

Plücker, Hittorf und Crookes fanden ferner, dass die Kathodenstrahlen durch den Magneten ablenkbar sind. Lenard nahm im vorigen Jahrzehnt diese Untersuchungen wieder auf. Derselbe setzte an die Stelle der Geisslerschen Röhre, welche durch die Kathodenstrahlen zum Phosphorescieren kam, ein sehr dünnes Aluminiumblatt als Fenster ein und sah zum ersten Mal die Kathodenstrahlen aus dem Geisslerschen Rohre in den freien Raum treten. Nun konnte Lenard auch nachweisen, dass die austretenden Strahlen sowohl Phosphorescenzerscheinungen auf einem Leuchtschirm, als auch photographische Wirkungen auf lichtempfindlichem Papier hervorrufen, indem sie letzteres schwärzen.

Diese Entdeckungen blieben Gemeingut der Physiker, bis Röntgen mit seiner Entdeckung hervortrat und an sehr stark evakuierten Röhren nachwies, dass nun wirklich unsichtbare Strahlen durch das Glas in die Außenwelt treten können und hier die bedeutenden photographischen Wirkungen hervorrufen, welche jetzt jedermann bekannt sind. Wir sehen an den Röntgenphotographieen die feinsten Strukturbilder, hervorgerufen durch Schattenbilder der mehr oder minder durchlässigen Teile des Objektes. Diese Schattenbilder zeigen, wie eine gewöhnliche Photographie, Lichter, Halbschatten und tiefe Schatten, und dieser Umstand bedingt gerade die vielseitige Verwendbarkeit [190] der Röntgenstrahlen. Wir wissen durch die Untersuchungen der Physiker, dass dieselben geradlinig die Glaswand oder die Platinspiegel verlassen und im Gegensatz zu den Kathodenstrahlen, abgesehen von ihrem großen Durchdringungsvermögen, weder magnetisch ablenkbar, noch reflektier- oder polarisierbar sind, dass sie aber elektrisch geladene Körper entladen.

Durch die Entdeckung Röntgens wurden die Forscher zu neuen Untersuchungen veranlasst, ob nicht etwa andere Körper ähnliche Strahlen aussenden. Es glückte nun Becquerel in der That, im Uran und seinen Verbindungen einen Stoff zu finden, der daas Verlangte leistet. Die von diesem Körper ausgesandten Strahlen schienen in der That sich ganz ähnlich zu verhalten wie Röntgenstrahlen. Sie zeigten photographische Wirkungen durch dünnere, undurchsichtige Stoffe, wie z.B. Pappe, Aluminium und dergl. Die Intensität derselben war aber so gering, dass eine vielstündige Belichtung erfolgen musste, um das Schwärzen einer Platte zu ermöglichen. Es wurden nach Bekanntwerden dieser Thatsache noch viele andere Stoffe in dieser Richtung untersucht, meist mit sehr wenig Erfolg.

Da gelang es dem Franzosen Curie und seiner Frau, aus dem Uranpecherz zwei, unsichtbare Strahlen aussendende Substanzen (Radium und Polonium) herzustellen, welche sie als neue Elemente aufstellten. In Deutschland nahm nach dem Bekanntwerden dieser Entdeckung mein Freund, Dr. Fritz Giesel in Braunschweig, die Herstellung der beiden neuen Elemente mit Erfolg auf. Er fertigte aus einer Menge von mehreren tausend Kilogramm Uranpecherz 2 g Radium. Dr. Giesel hatte die Freundlichkeit, mir 0,2 g des jetzt von den Physikern vielbegehrten Radiums für physiologische Untersuchungen zur Verfügung zu stellen. Diese 0,2 g bilden ein krystallinisches, weißliches Pulver und repräsentieren einen Wert von nahezu 1000 Mk.

Die Eigenschaften des Radiums sind höchst eigenartige, man kann sagen paradoxe. Die von ihm ausgehenden Strahlen haben einerseits ganz die Eigenschaften der Röntgenstrahlen. Sie bringen den Bariumplatincyanür-Schirm zum intensiven Aufleuchten und erzeugen im Kochsalz das Subchlorid, wodurch ersteres gelb gefärbt wird. Die photographische Platte wird in nächster Entfernung in wenigen Minuten geschwärzt, das Durchdringungsvermögen der vom Radium ausgehenden Strahlen ist ganz ausserordentlich. Das Gieselsche Präparat durchdrang z.B. eine 12 mm starke Bleiplatte; die ausgesandten Strahlen [191] entladen, ebenso wie die Röntgenstrahlen, elektrisch geladene Körper. Von den letztgenannten Strahlen unterscheiden sie sich jedoch in mancher Beziehung wesentlich.

Die Radiumstrahlen sind, wie Giesel nachwies, vor allen Dingen durch den Magneten ablenkbar und zeigen Polarisationserscheinungen. Die photographischen Wirkungen sind ebenfalls anderer Art wie die Röntgenstrahlen. Verfasser fertigte nach beiden Methoden Knochen-Aufnahmen, welche einerseits die feinen Strukturbilder der Röntgenaufnahmen, andererseits eine ganz gleichmässige Wirkung der Radiumstrahlen zeigen. Letztere werfen zwar ebenfalls Schatten, aber es fehlt denselben die feine Abstufung in den Lichtern und Schatten. Verfasser machte Versuche mit Vorschaltung von dicken Bleiplatten, welche, ähnlich wie bei der Lochkamera, nur punktförmig die Strahlen des Präparates durchtreten lassen. Der Erfolg in Bezug auf das Strukturbild war stets negativ. Aufnahmen von den verschiedensten Metallen zeigten keine grösseren Unterschiede zwischen Röntgen- und Radiumaufnahmen.

Das Radium besitzt ferner bemerkenswerte physiologische Eigenschaften. Eine zweimalige, 20 Minuten dauernde Bestrahlung des Armes erzeugte eine jetzt schon zwei Wochen bestehende Hautentzündung, welche ganz dieselben Erscheinungen aufweist, wie sie nach langdauernden Röntgenbestrahlungen auftreten. Noch nicht abgeschlossene Versuche, welche im Münchner hygienischen Institute gemacht werden, scheinen mir die Wirksamkeit auf Mikroorganismen darzuthun.

Das Radium erscheint somit als einer der wunderbarsten Körper, welche in der Neuzeit entdeckt wurden; die Energie, welche von ihm ausgeht, ist ein vollständig ungelöstes Rätsel, dessen Lösung sehr schwierig ist und vielleicht noch in weiter Ferne liegt, dann aber sicherlich einen wertvollen Beitrag zur Kenntnis der wechselseitigen Beziehungen zwischen Licht und Elektrizität bilden wird.


  1. Vortrag, gehalten im Klub der Amateurphotographen zu München.