Das chemische Etablissement des Herrn Fikentscher in Zwickau

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Autor: Christoph Heinrich Hirzel
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Titel: Das chemische Etablissement des Herrn Fikentscher in Zwickau
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 292–296
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: siehe auch: Die Glas- und Chemische Fabrik von Fr. Chr. Fikentscher bei Zwickau
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Das chemische Etablissement des Herrn Fikentscher in Zwickau.
Von Dr. Hirzel.

Zwickau in Sachsen nimmt unter den deutschen Fabrikstädten einen immer bedeutenderen Rang ein, was allerdings nicht überraschen kann, wenn man bedenkt, daß es außer dem durch die Eisenbahnverbindung möglichen raschen Verkehr auf unerschöpflichen Kohlenlagern ruht, und „Kohlen“ sind ja das unentbehrlichste Nahrungsmittel für die Fabriken. Unter den vielen, in und bei Zwickau liegenden Etablissements fällt uns besonders eine große Häusergruppe mit 8 bis 10 hohen Essen aus; dieselbe führt den bescheidenen Namen „Glashütte“ und ist das Etablissement des Herrn Fikentscher, dem wir heute einen kurzen Besuch abstatten wollen. Etwas schüchtern, wenn wir keine besondere Empfehlung haben, nähern wir uns dem Eingang, betreten den großen Hof, der links von den Wohnungen der Glasmacher und mehreren Fabrikgebäuden, rechts von den Wohnhäusern der Familie eingefaßt ist. Dem Eingang zunächst gegenüber liegt die eigentliche Glashütte, deren rothglühender Ofen uns besonders in die Augen fällt. Wir erkundigen uns bei einem Arbeiter nach dem Herrn, werden freundlich zu der richtigen Thüre geführt, mit seltener Freundlichkeit aufgenommen und in dem ganzen Etablissement herumgeführt.

Hier herrscht der freie Genius der Intelligenz, und man bemerkt nichts von jener albernen Geheimnißthuerei und ängstlichen Zurückhaltung, mit welcher man in vielen Etablissements bedient wird. Wir zweifeln nicht daran, daß Herr Fikentscher auch seine Fabrikgeheimnisse besitzt, wie jeder Andere, allein man sieht und hört nichts davon. Ich hebe diesen Umstand deshalb ganz besonders hervor, weil die Art und Weise, mit welcher der Besucher in manchen Etablissements empfangen wird, oft einen sehr ungünstigen Eindruck macht. Es ist wahr, die vielen Besuche, denen namentlich die bedeutenden Etablissements ausgesetzt sind, müssen mitunter recht lästig werden; allein auf der andern Seite entspringt doch auch wieder mancher Vortheil und manche Genugthuung hieraus. Derjenige, welcher aber oft in den Fall kömmt, ohne gewichtige Empfehlungen verschiedene Etablissements zu besuchen, ist mancherlei kleinen Leiden ausgesetzt. Oft wird man auf wirklich ungebührlich barsche Weise abgewiesen; oder man wird freundlich aufgenommen, bekömmt aber anstatt der Werkstätten nur das Waarenlager zu sehen und wird sodann mit vieler Artigkeit verabschiedet; oder man erhält einen Führer, der die Rolle eines Taubstummen spielt; oder man wird durch die Werkstätten gejagt, damit man keine Zeit finde, etwas abzusehen; oder man erhält einen Begleiter, dessen Erklärungen selbst für ein Kind zu kindisch sind. So erging es mir z. B. beim Besuche eines anderen Etablissements zu Zwickau, zu dessen Besichtigung mir ein Begleiter gegeben wurde, der mich zunächst zu einem großen Steinhaufen führte mit der Bemerkung: „das sind Steine.“ Auf meine Frage, woher diese Steine bezogen werden, erhielt ich zur Antwort: „aus dem Gebirge.“ Dann führte er mich zu dem Pochwerke, dessen Thätigkeit sich schon durch das bedeutende Geräusch ankündigte, mit den Worten: „Hier wird gepocht.“ Er führte mich in einen Arbeitssaal, in welchem viele Arbeiter beschäftigt waren, mit der Erklärung: „Hier sind die Leute“ u. s. w. In Sch… ging es mir nicht viel besser, als ich dort eine Farbenfabrik besichtigte. Der Besitzer führte mich selbst herum, zeigte mir mit großem Ernste eine Schale mit einem gelben Pulver: „Hier sehen Sie eine gelbe Farbe,“ eine Schale mit einem blauen Pulver: „Hier ist eine blaue Farbe“ einen Porzellanmörser: „hier wird gemischt!“ u. s. w. Doch wir kehren nach dieser Abschweifung wieder zu dem schönen Besitzthum des Herrn Fikentscher zurück, um dasselbe etwas näher zu besichtigen.

Der Vater des Herrn Fikentscher war gelernter Apotheker, gründete aber zu Redwitz bei Wunsiedel im Fichtelgebirge zunächst nur eine kleine Fabrik, die sich unter seiner Leitung rasch erweiterte und sichtlich emporblühte. Zugleich betheiligte er sich dort bei einer Glashütte. Der jetzige Herr Fikentscher übernahm schon als siebenzehnjähriger Jüngling die selbstständige Leitung jener Glashütte, wo er zuerst das Glasschmelzen mit Glaubersalz (schwefelsaurem Natron) anstatt der damals zur Glasfabrikation üblichen Soda (kohlensaures Natron) einführte. Später führte er, gemeinschaftlich mit seinem Bruder, zugleich auch die Geschäfte der chemischen Fabrik seines Vaters, nachdem er vorher in derselben zuerst die Schwefelsäurefabrikation eingerichtet hatte. Allein so bedeutend auch die väterliche Fabrik war, so entging es dem Scharfsinne des Herrn Fikentscher doch nicht, daß sie wegen ihrer Abgelegenheit zu wenig Zukunft hatte, und nach schwerem Abschiede von dem schönen Fichtelgebirge siedelte daher Fikentscher im Jahre 1845 nach Zwickau über, wo er zunächst nur eine Glashütte errichtete, über die wir unten einige nähere Mittheilungen geben wollen.

In der Glashütte braucht man zum Glasschmelzen thönerne Häfen, zum Bau der Glasöfen feuerfeste Thonziegel etc. Daher [293] wurde mit der Glashütte die innig damit zusammenhängende Fabrikation von feuerfesten Steinen verbunden, von denen namentlich in Zwickau auch viele zum Bau der Coaksöfen verbraucht werden. In den letzteren Jahren hat sich nun die Thonwaarenfabrik des Herrn Fikentscher bedeutend erweitert. Wir sehen da wirklich gigantische Thonkessel, Thonbottiche und Thoncylinder, die mit einem schmelzbaren Pechsteine so dauerhaft und gut glasirt werden, daß sie nicht nur wasserdicht sind, sondern selbst dem Einflusse der kräftigsten Säuren Widerstand leisten. Die Bereitung so großer Thongefäße, sowie die Fabrikation von feuerfesten Thonsteinen ist durchaus keine so leichte Arbeit, als man gewöhnlich glaubt. Es gehören hierzu die umfassendsten Kenntnisse der mannichfachen Eigenschaften und Verschiedenheiten der zahllosen, natürlich vorkommenden Thonsorten. Der Werth eines Thones läßt sich nicht allein aus dessen chemischer Zusammensetzung, dessen größerer oder geringerer Schmelzbarkeit beurtheilen.

Die Fikentscher’sche Glashütte in Zwickau

Selbst seine Schwere, d. h. der mehr oder weniger dichte oder poröse natürliche Zustand, sind nebst ähnlichen Verhältnissen für das zu erlangende Resultat von großer Bedeutung. Im Allgemeinen eignet sich ein dichterer Thon besser zur Bereitung feuerfester Gegenstände, als ein mehr poröser von gleicher chemischer Zusammensetzung. Die Wahl der zu den herzustellenden Gegenständen geeigneten Thonart oder Mischung von Thonarten ist jedoch nicht die einzige Schwierigkeit. Der Thon hat bekanntlich die Eigenschaft, sich beim Brennen zusammenzuziehen und zwar ungefähr um den siebenten Theil seiner Länge, was oft sehr störend wirkt. Herr Fikentscher hat aber gefunden, daß sich der aus Quarzkörnchen bestehende Sandstein beim Brennen sehr stark ausdehnt, und indem er die Thone mit einer bestimmten Menge solchen Sandsteins auf das Innigste vermengt, bereitet er Mischungen, welche beim Brennen keine Formveränderung mehr erleiden. Auch der Hitzegrad, welchem man die Gegenstände beim Brennen aussetzt, ist sehr wichtig; denn dieselben Thonsteine erscheinen im schwach gebrannten Zustande blaß rosenroth, leisten aber den zerstörenden Einflüssen der Witterung nur geringen Widerstand; bei stärkerem Brennen nehmen sie eine gelbe und in der höchsten Glühhitze eine schmutzig violette Farbe an, und sind dann sehr fest und dauerhaft. Endlich hängt von dem Bau und der Construktion der Oefen, in welchen die Thonwaaren gebrannt werden, sehr viel ab. Die Oefen des Herrn Fikentscher sind so eingerichtet, daß die Hitze hauptsächlich von oben zugeleitet werden kann, wodurch es möglich wird, große Gegenstände ganz gleichmäßig zu brennen.

Wie wir schon erwähnten, nimmt Herr Fikentscher zur Bereitung der Glasmasse keine Soda, sondern Glaubersalz (die Verbindung von Natron mit Schwefelsäure). Um dieses selbst fabriciren zu können, errichtete er im Jahre 1848 seine chemische Fabrik, welche sich fortwährend erweitert. Zur Glaubersalzfabrikation ist vor Allem Schwefelsäure (Vitriolöl) nothwendig, also wurde zuerst die Schwefelsäurefabrikation eingerichtet, welche Herr Fikentscher in der neuesten Zeit bedeutend verbessert und vereinfacht hat. Früher bereitete man die Schwefelsäure auf die Weise, daß man die Dämpfe des brennenden Schwefels in den Bleikammern (Räume, deren Wände aus Bleiplatten bestehen) mit Wasser und Salpetersäuredämpfen zusammenbrachte. Anstatt reinen Schwefels verwendete dann Herr Fikentscher den in der Natur äußerst häufigen Schwefelkies (eine Verbindung von Eisen mit Schwefel), den er von Johanngeorgenstadt bezog, und jetzt nimmt er Zinkblende (eine Verbindung von Zink mit Schwefel), um dann das nach dem Verbrennen (Rösten) der Zinkblende zurückbleibende Zinkoxyd zur Bereitung von Chlorzink benutzen zu können, einer werthvollen Substanz, mit welcher man jetzt die Eisenbahnschwellen tränkt, um [294] sie vor der Fäulniß zu schützen. Auch die Bleikammern, deren Unterhaltung sehr viel kostet, da die Dämpfe der Salpetersäure das Blei ziemlich rasch zerstören und mürbe machen, ersetzt er jetzt durch Thoncylinder. Die selbstbereitete Schwefelsäure wird nun größtentheils in der Fabrik selbst wieder verbraucht. Zunächst wird ein Theil derselben, um Glaubersalz darzustellen, in besonderen Räumen mit Kochsalz (einer Verbindung von Natrium und Chlor) erhitzt. Das Glaubersalz bleibt als weiße Salzmasse zurück, während zugleich Salzsäure (eine Verbindung von Chlor mit Wasserstoff) entweicht und in einer ganzen Reihe großer Thonflaschen aufgesammelt wird. Um diese Salzsäure zweckmäßig zu verwenden, wurde sodann die Chlorkalk-(Bleichkalk-)fabrikation eingerichtet. Braunstein (eine Verbindung von Mangan mit Sauerstoff) wird nämlich in großen Thonretorten mit der Salzsäure erwärmt, und das sich hierbei entwickelnde Chlorgas zu frisch gelöschtem, gebranntem Kalke geleitet, der auf einem breiten, gemauerten, überdeckten Raume ausgebreitet ist, das Chlorgas begierig aufnimmt, und sich in Chlorkalk verwandelt. Ein anderer Theil der selbstbereiteten Schwefelsäure wird zur Fabrikation von Salpetersäure (Scheidewasser) benutzt, welche selbst wieder zur Schwefelsäuregewinnung nothwendig ist. Zu diesem Behufe wird Chilisalpeter mit Schwefelsäure erhitzt und die Salpetersäure, welche entweicht, aufgefangen, während

Die Saline von Fikentscher in Zwickau.

zugleich schwefelsaures Natron zurückbleibt. Ein großer Theil der Schwefelsäure wird ferner zur Fabrikation von Alaun aus Thon und zur Abscheidung der Weinsäure oder Weinsteinsäure aus rohem oder gereinigtem Weinstein benutzt; auch zur Bereitung einiger Quecksilberpräparate wird Schwefelsäure verwendet. Besonders berühmt ist Fikentscher’s chemische Fabrik durch den prachtvollen Zinnober (eine Verbindung von Schwefel mit Quecksilber), welchen sie liefert. Ferner läßt Herr Fikentscher ein ganz vorzügliches Wasserglas (kieselsaures Kali oder kieselsaures Natron) darstellen, und im Jahre 1855 eröffnete er seine höchst merkwürdige und interessante Saline, über welche wir unten noch einige ausführlichere Mittheilungen geben wollen.

Nachdem wir nun in gedrängter Uebersicht erfahren haben, was für Substanzen und chemische Verbindungen besonders in diesem ausgezeichneten Etablissement dargestellt werden, wollen wir nur zwei Fabrikationszweige des Etablissements noch etwas näher betrachten, nämlich die Glashütte und die Saline.


Die Glashütte

liefert zur Zeit nur Fensterglas. Von den andern Gegenständen werden nur die Retorten und Glasgefäße fabricirt, welche die chemische Fabrik gebraucht. Der geräumige Glasofen, in welchem das Glas geschmolzen und sogleich verarbeitet wird, wie unser Bild zeigt, wird mit Gas geheizt; welches in einem besonderen Schachtofen aus Ruskohle bereitet wird. Die Vortheile der Gasfeuerung vor der früher allein gebräuchlichen directen Feuerung mit Holz sind sehr bedeutend und beruhen besonders darauf, daß man, je nachdem mitttelst einer Klappe das Zuströmen

Glashafen.

des Gases regulirt wird, jeden beliebigen Hitzegrad hervorbringen und längere Zeit gleichmäßig erhalten kann. Auch wird das Glas nicht durch Flugasche, die bei directer Holzfeuerung nicht abzuhalten ist, verunreinigt. In jedem Glasofen stehen acht Glashäfen, welche mit großer Sorgfalt aus dem besten feuerfesten Thon mit der Hand geformt, und so lange täglich geschlagen werden, bis sie keinen Eindruck mehr annehmen. Hierauf läßt man sie an der Luft gut austrocknen, brennt sie in starker Hitze und schafft sie aus dem Thonbrennofen sogleich glühend in den Glasofen. Trotz aller Sorgfalt halten sie aber dennoch gewöhnlich nur sechs Wochen, oft nicht einmal so lange. Jeder Hafen hat seinen Arbeiter oder Glasmacher und jeder Glasmacher hat seinen Gehülfen, der ganz unter ihm steht. Die Arbeit der Glasmacher ist blos Accordarbeit; dennoch kann ein Glasmacher jährlich 600–700 Thaler, in Belgien sogar bis 1500 Thaler verdienen. Ein Ofen wird gewöhnlich so lange continuirlich geheizt, bis er nicht mehr geht, was ungefähr 1–1½ Jahr dauert; dann muß ein neuer Ofen gebaut werden.

Die hauptsächlichsten Operationen bei der Fensterglasfabrikation sind nun folgende: Zuerst das Mengen, welches in einem besonderen Raume, der sogenannten Gemengkammer geschieht. Die einzelnen Stoffe, welche zu Glas verschmolzen werden sollen, werden zuerst äußerst fein gemahlen und dann auf das Innigste mit einander gemengt. Fikentscher läßt sein Glas aus Sand (Kieselsäure), Glaubersalz, gelöschtem und gesiebtem Kalk und Holzkohle bereiten. (Ein günstiges Verhältniß hierzu ist eine Mischung von 100 Gewichtstheilen Sand, 50 Glaubersalz, 4 Kohle und 25 Kalk). Dann folgt das Schmelzen. Die bereitete Mischung wird zu diesem Behufe portionenweise (gewöhnlich zu drei Malen) in die Glashäfen eingetragen, und ist nach heftigem Erhitzen die Masse ziemlich ausgeschmolzen, so füllt man mit Glasscherben (aufgekauftem Glas) oder sogenanntem fein gemahlenem Heerdglas auf, um den Hafen ganz voll Glasmasse zu erhalten; damit das Glas farbloser werde, setzt man zugleich etwas arsenige Säure (weißen Arsenik) zu. [295] Ist die Masse ganz gleichmäßig geschmolzen, was 36–40 Stunden dauert, so sperrt man das Feuer mehrere Stunden lang ganz ab, damit die Masse, welche sich während dieser Zeit etwas abkühlt, die gehörige Consistenz erlangt und sich klärt; dann wird die auf der Glasmasse schwimmende sogenannte Glasgalle (das ist überschüssig angewendetes Glaubersalz) abgeschöpft, das Feuer wieder zugeleitet und nun können die Glasmacher ihre Arbeit beginnen. Die Schmelzarbeit steht unter der Leitung eines besonderen Schmelzers, der auch seinen Gehülfen hat. Die Entstehung der Glasmasse beim Schmelzen beruht auf folgenden chemischen Einwirkungen: In der Gluthhitze wirkt zunächst die vorhandene Kohle auf das Glaubersalz (schwefelsaure Natron) und verwandelt dieses, indem sie ihm etwas Sauerstoff entzieht, in schwefligsaures Natron; aus letzterem treibt sodann ein Theil der Kieselsäure (Sand) die schweflige Säure aus, welche entweicht, und bildet kieselsaures Natron. Der andere Theil der Kieselsäure vereinigt sich mit dem Kalk zu kieselsaurem Kalk und indem sich endlich das kieselsaure Natron mit dem kieselsauren Kalk vermengt und verbindet, entsteht die Substanz, die wir Glas und zwar in diesem Falle Natronglas nennen.

Nach beendigtem Schmelzen beginnen die Glasmacher mit dem Blasen. Jeder Glasmacher stellt sich auf ein um den Ofen angebrachtes Gerüst zu seinem, mit glühend-flüssiger Glasmasse gefüllten Glashafen, den er nach 12–15stündiger anhaltender Arbeit aufarbeitet. Jeder Hafen hält ungefähr 3 Centner Glasmasse und liefert 30 Bunt Glastafeln. Das Hauptinstrument des Glasmachers, welches derselbe mit wahrer Virtuosität zu benutzen versteht, ist die Pfeife, ein fünf Fuß langes, ein Zoll dickes, schmiedeisernes

Die Pfeife

Blasrohr, das an beiden Enden mit Knöpfen versehen ist, von denen der eine bei a als Mundstück dient, der andere bei b dagegen das zu blasende Glas annimmt. In der Nähe des Mundstücks ist die Pfeife mit einem hölzernen Handgriffe h versehen.

Der Marbel

Außerdem ist auf dem Gerüst ein viereckiges Stück Holz, der sogenannte Marbel befestigt, welcher vorn mit mehreren runden Vertiefungen versehen ist, zum Abrunden des an der Pfeife sitzenden Glasballens dient und (um ihn vor dem Anbrennen zu schützen) stets naß gehalten wird. Durch eine im Ofen befindliche Oeffnung, das sogenannte Arbeitsloch, führt der Glasmacher das untere Ende der Pfeife so in den Glashafen ein, daß eine genügende Menge Glasmasse daran hängen bleibt; dann bringt er den anhängenden weichen Glasklumpen durch Rollen auf dem Marbel ganz an das Ende der Pfeife, erzeugt erst durch starkes Hineinblasen eine kleine Höhlung in demselben, die er durch fortwährendes Blasen erweitert, wobei er zugleich den hohlen Glaskörper, damit derselbe den gehörigen Grad der Weichheit behalte, von Zeit zu Zeit in dem Arbeitsloche von Neuem anwärmt. Durch fortdauerndes Blasen, gleichzeitiges Drehen und pendelartiges Hin- und Herschwingen der Pfeife weiß der Glasmacher mit überraschender Geschicklichkeit und Sicherheit den erst birnförmig-runden Glastörper immer mehr aufzublasen, zu erweitern und zu verlängern, bis derselbe endlich die Form eines an beiden Enden kugelförmig abgerundeten Cylinders (siehe die punktirten Linien an der oben abgebildeten Pfeife) hat. Um nun die untere Seite dieses Cylinders zu öffnen, übergiebt der Glasmacher die Pfeife seinem Gehülfen, befestigt mittelst eines in das geschmolzene Glas eingetauchten eisernen Stabes ein Klümpchen Glas auf der Mitte der unteren Wölbung des Cylinders; der Gehülfe verdichtet hieraus durch kräftiges Einblasen die Luft in demselben, verschließt das Mundstück der Pfeife mit dem Finger und hält den Cylinder dem Arbeitsloche entgegen. Durch die aus diesem ausströmende Gluth dehnt sich die Luft im Cylinder aus und durchbricht ihn an der Stelle, wo das Glasklümpchen sitzt, mit einem schwachen Knall. Die so entstandene Oeffnung wird mit einer Glasscheere unter beständigem Drehen des Cylinders so vollständig erweitert, daß eine unten offene cylindrische Glasglocke entsteht. Diese wird durch Anhalten eines kalten Eisens von dem Kopfe der Pfeife abgesprengt und endlich durch Absprengung der oberen Rundung in einen gleichmäßigen, auf beiden Seiten offenen Cylinder verwandelt. Alle diese Operationen zeigt das Hauptbild im Zusammenhange, wie dieselben auf einander folgen.

Dem Blasen folgt das Strecken, wobei der Cylinder, den man der Länge nach erst aussprengt, zur Glastafel ausgebreitet wird. Man legt nämlich den Glascylinder mit dem Sprung

Gesprengter Glascylinder

nach oben, auf

Ausbreitung zu Tafeln (Streckung)

eine flache Unterlage und erhitzt ihn auf dieser in einem besonderen Ofen - dem Streckofen — so stark, daß das Glas wieder weich wird. Die cylindrischen Glasflächen sinken nun, vermöge ihres Gewichtes, allmählich wieder und werden mit Hülfe einer glatten hölzernen Stange oder einer im Ofen selbst angebrachten mechanischen Vorrichtung, ganz flach auf ihre ebene Unterlage ausgebreitet. Mit dem Streckofen steht der Kühlofen in unmittelbarer Verbindung. Die fertigen Glastafeln werden aus dem Streckofen sogleich in den Kühlofen geschoben, erkalten in diesem sehr langsam und gleichmäßig, werden nachdem sie sich vollständig abgekühlt haben, herausgenommen, in kleinere rechtwinklige Tafeln zerschnitten und diese endlich zu Bunten gepackt und in das Magazin abgeliefert. In Fikentschers Glashütte streckt, kühlt, schneidet und packt jeder Glasmacher das Glas, welches er bläst, selbst.


Die Saline

oder Salzfabrik liegt 8-10 Minuten von der chemischen Fabrik und Glashütte entfernt und steht in Bezug auf ihre Einrichtung einzig in ihrer Art da. Das gewöhnliche Salz (Kochsalz, Küchensalz, Chlornatrium) ist bekanntlich eine unentbehrliche Würze zu unseren Speisen, hat aber zugleich auch in der chemischen Technik vielfache bedeutende Anwendung gesunden. Auf unserer Erde ist das Salz sehr verbreitet. An manchen Orten finden wir dasselbe im festen Zustande in den Schichten des Erdkörpers als sogenanntes Steinsalz und zwar oft so rein, daß es bergmännisch zu Tage gefördert wird und zu vielen Zwecken ohne vorherige Reinigung in Verwendung kommen kann. An anderen Orten brechen salzhaltige Quellen, sogenannte Salzsoolen hervor oder werden künstlich aus der Tiefe aus die Erdoberfläche gehoben. Je nachdem diese mehr oder weniger Salz in Lösung enthalten, werden sie verschieden behandelt. Ganz schwache Salzsoolen, die unter 3 Procent Salz führen, hält man meistens einer Benutzung zum Behufe der Salzgewinnung nicht werth. Finden sich dagegen in der Soole 4-16 Procente Salz, so läßt man die Soole erst über hohe Dornenwände (Gradirwerke) fließen, um sie concentrirter zu erhalten (während des Herabfließens vertheilt sich die Soole auf den Dornen aus eine große Oberfläche und ein Theil des in ihr enthaltenen Wassers verdunstet hierbei), und versiedet sie dann, bis sich das Salz ausscheidet. Sehr starke Soolen mit 16-25 Procent Salz können sogleich versotten werden. Auch das Meerwasser ist eine ungeheure Salzsoole mit 2½ bis 4 Procent Salz und in den warmen Ländern benutzt man es häufig zur Gewinnung des sogenannten Seesalzes. Man läßt nämlich Meerwasser in eine Reihe flacher Bassins, die zusammen einen Salzgarten bilden, eintreten, so daß der Boden des Bassins nur 2-3 Zoll hoch von dem Wasser bedeckt wird. Das warme Klima gestattet eine rasche Verdunstung des Wassers und das Salz scheidet sich in Krusten aus.

Die Soole, welche auf der Saline des Herrn Fikentscher zur Abdampfung kommt, ist nur das „Grubenwasser“ aus dem Bürgerschacht bei Zwickau, in welchem 1¼ Procent Kochsalz, ungefähr [296] ebensoviel Chlorcalcium, etwas Chlormagnesium und Spuren von Brom vorkommen. Dieses Wasser gelangt unmittelbar aus den Gruben in einen unterirdischen, überwölbten, mit feuerfesten Ziegeln ausgemauerten, 150 Fuß langen Kanal, in welchen die glühenden Gase mehrerer Koaksbrennöfen eingeleitet werden können. Bis dahin hat man diese Gase, die sich beim Brennen der Koaks aus Steinkohlen in großer Menge entwickeln, frei und unbenutzt in die Luft entweichen lassen. Dabei hat man nicht allein einen großen Verlust an brauchbarer Hitze, sondern zugleich wird auch die Atmosphäre mit schädlichen Gasen erfüllt und förmlich verpestet. Anstatt nun die nützliche Hitze und die schädlichen Gase nach oben entweichen zu lassen, hat Herr Fikentscher seine Koaksöfen so eingerichtet, daß die frei werdenden Gase nach unten in den gemauerten Siedecanal ausströmen müssen und dann erst aus einer hohen Esse entweichen können. In diesem Canale dampft bei so heftiger Gluth das dünne Grubenwasser mit solcher Schnelligkeit ein, daß täglich wenigstens 1000 Centner Wasser in Dampf übergehen, welcher mit den Gasen durch die Esse entfernt wird. In kurzer Zeit ist dann das Wasser concentrirt genug, um in einen Bottich gehoben werden zu können, in welchem man es mit etwas frisch gelöschtem Kalke versetzt. Die aus den Koaksöfen entweichenden glühenden Gase enthalten nämlich stets etwas schweflige Säure und Schwefelsäure, welche von der Salzlauge aufgenommen, aber durch Zusatz von Kalk wieder vollständig entfernt werden. Hat sich die Salzlauge im Bottich geklärt, so läßt man sie klar in eine nahe stehende eiserne Siedepfanne abfließen, welche ebenfalls durch die heißen Gase aus einem Koaksbrennofen geheizt wird. Hier scheidet sich das reine Kochsalz aus, wird herausgeschaufelt und nachdem die Mutterlauge, in welcher das im Grubenwasser vorhandene Chlorcalcium noch gelöst ist, davon abgeflossen, wird es aus den warmen, über dem Abdampfcanal befindlichen Boden zum Trocknen ausgebreitet. Herr Fikentscher gewinnt täglich 10 Centner reines, blendend weißes Kochsalz, welches er ausschließlich wieder in seiner chemischen Fabrik, besonders zur Glaubersalzfabrikation verarbeitet, da es ihm nicht einmal gestattet ist, dasselbe auch zu seinem häuslichen Gebrauche zu verwenden. Die Mutterlauge, welche, wie schon erwähnt, Chlorcalcium enthält, wird ebenfalls noch eingedampft, da das Chlorcalcium auch wieder zu verschiedenen Zwecken benutzt werden kann.




Anmerkungen (Wikisource)