Meuterei auf einem Kriegsschiff der Vereinigten Staaten

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Titel: Meuterei auf einem Kriegsschiff der Vereinigten Staaten
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aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843, S. 67
Herausgeber: Johann Jacob Weber
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Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: MDZ München, Commons
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Meuterei auf einem Kriegsschiff der Vereinigten Staaten.

Die Meuterei auf dem Somers, das Aufhängen eines Sohnes des Kriegsministers der Vereinigten Staaten ohne förmlichen Richterspruch und die Anklagen, gegen die sich der Capitain wegen dieser Execution zu vertheidigen hatte, sind durch die Zeitungen berichtet worden. Solch ein romantischer Vorfall auf einem Kriegsschiff der Vereinigten Staaten, wo außer der strengen Disciplin auch noch die prosaische Natur des Volkes dergleichen phantastische Pläne auszuschließen schien; die mächtige Verwandtschaft des jungen Mannes, der ohne Rechtsform vom Leben zum Tode gebracht wurde und die Curiosität, wie ein so durchaus demokratisches Volk eine Ausübung der Militairgewalt, die selbst in monarchischen Ländern als ein äußerster Schritt erscheinen müßte, aufnehmen werde: das waren Gründe genug, der Meuterei auf dem Somers eine mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ein Umstand ist aber trotz dieser allgemeinen Theilnahme noch immer nicht völlig aufgeklärt. Seiner Darlegung muß eine kurze Zusammenstellung der bekannt gewordenen Thatsachen vorhergehen.

Die neuerbaute Kriegsbrigg Somers war unter dem Befehl des Capitains Mackenzie nach Afrika gesandt worden. Da ihr Befehlshaber als ein äußerst milder und gewissenhafter Mann bekannt war, wurde ihm unter seiner Mannschaft eine ungewöhnlich große Anzahl von jungen Leuten zur Ausbildung mitgegeben. Auch befand sich auf seinem Schiffe ein Sohn des Kriegsministers Spencer, der wegen leichtsinniger Streiche vielfach in Ungelegenheiten gewesen, aber höchst lebendigen Geistes, unternehmend und kühn war.

Seit längerer Zeit fiel den Offizieren des Schiffes die mürrische Haltung der Mannschaft auf. Wurde einem Matrosen Etwas befohlen, so benahm er sich oft, als sei er im Zweifel, ob er es thun wolle, oder nicht. Auch machte die Widerspänstigkeit der jungen Leute ungewöhnlich viel Züchtigungen nöthig. Da erschien am 27. Nov. 1842, als das Schiff bereits auf der Rückfahrt nach den Vereinigten Staaten bei Westindien war, ein Matrose vor dem Capitain und theilte ihm mit, daß eine Verschwörung unter der Mannschaft bestehe, die dem Ausbruch nahe sei. Man wolle in der Nacht durch eine absichtliche Schlägerei auf dem Verdeck Lärm machen, wenn die Offiziere, um der Unordnung zu steuern, von unten herauf kämen, sie einzeln über Bord werfen, ein Gleiches mit den treuen Matrosen thun, dann an einer naheliegenden wüsten Insel bei einer Sklavenhändlerniederlage landen, um sich gehörig auszurüsten, hierauf nach demjenigen Strich im Atlantischen Meer segeln, den die Schiffe, welche zwischen den Vereinigten Staaten und Europa fahren, durchschneiden müssen, hier die Corsarenflagge aufstecken, alle Schiffe ohne Unterschied kapern, die Männer sogleich über Bord werfen, die Weiber zu sich nehmen und erst, wenn man ihrer überdrüssig geworden, ins Wasser stürzen, die Schiffe ausplündern, anbohren und versenken. Spencer stehe an der Spitze des Complotts, habe ihn während einer Nachtwache anzuwerben versucht und bezeichne die Matrosen Cromwell und Small als Haupträdelsführer.

Nach dieser Mittheilung ließ der Capitain Spencer rufen und befahl ihm, das Halstuch abzunehmen. Dies geschah und es war kein Verzeichniß darin. Dann wurde aber auch sein Koffer durchsucht, und da fand sich nicht blos ein Verzeichniß der Verschwornen, sondern auch ein vollständiger Seeraubstatuten-Entwurf nebst dem eigenhändig unterschriebenen Eide der Haupttheilnehmer. Mehre Zeichnungen, in denen der Somers mit einer Corsarenflagge dargestellt war und ähnliche Nebenumstände verstärkten die ohnedies unzweifelhaften Beweise.

Da der größte Theil der Mannschaft der Verschwörung angehörte, so ward besondere Vorsicht nöthig. Spencer, Cromwell und Small wurden verhaftet, in Eisen geschlossen und auf dem Offizierverdeck unter Aufsicht gestellt. Die aus dem treugebliebenen Theile der Mannschaft genommenen Schildwachen hatten Befehl, jeden Versuch einer Verständigung mit ihnen zu verhindern.

Anfänglich schienen die Verschworenen durch die Entdeckung ihrer Pläne und die Verhaftung der Rädelsführer in Bestürzung versetzt. Nach einigen Tagen gaben sich aber beunruhigende Anzeichen kund. Das mürrische Wesen nahm zu, artete bald in Murren und später in Widerspänstigkeit aus. Die Theilnehmer an der Verschwörung sonderten sich ab, pflogen geheime Verhandlungen, suchten durch Zeichen mit den Verhafteten in Verkehr zu treten. Daneben begannen die Offiziere und die treugebliebene Mannschaft ihrem beschwerlichen Dienste fast schon zu unterliegen. Man sah von einem Augenblicke zum andern der Gefahr entgegen, daß die Verschwörer sich offen empören, bewaffnen, des Schiffs bemächtigen könnten, um nach Befreiung der Verhafteten mit offener Gewalt auszuführen, was sie früher heimlich und durch Ueberraschung zu thun beschlossen hatten. Da berief der Capitain die drei auf dem Schiffe vorhandenen Offiziere zu einer Berathung. Es wurde in Form eines Kriegsgerichts, aber ohne die gesetzlich erforderliche Anzahl von fünf Offizieren als Beisitzern, beschlossen, daß die Sicherheit des Schiffs und der Mannschaft eine sofortige Hinrichtung der drei verhafteten Haupträdelsführer, welche durch die aufgefundenen Documente überwiesen seien, nöthig mache. Hierauf ließ der Capitain im Stillen alle treugebliebenen Leute mit Waffen versehen und plötzlich von ihnen die Hauptpunkte des Schiffes besetzen. Nun wurde den Verhafteten das ihnen bevorstehende Schicksal angekündigt und ihre Mitverschwornen an die Taue beordert, deren Anziehen die Verurtheilten an die Raaen aufknüpfen sollte. Widerstand war nicht möglich. Diese gestanden ihre Schuld zum Theil mit ausdrücklichen Worten, zum Theil stillschweigend ein, und Capitain Mackenzie sprach die von seinen Landsleuten ihm schwerlich verziehenen Worte zu Spencer: „Um Ihres Vaters willen kann es Ihnen lieb sein, daß Sie hier Ihr Verbrechen mit dem Tode büßen, denn in den Vereinigten Staaten wird Jedem, der einflußreiche Verwandte hat, durchgeholfen, und dann würden Sie Ihr ganzes Leben hindurch ein Vorwurf für Ihren Vater bleiben und seine politische Stellung völlig vernichten.“ Die Execution ging mit den gewöhnlichen Förmlichkeiten vor sich. Als die Meuterer an der Raa hingen, wurde die gesenkte Flagge wieder aufgehißt und mit drei Hurrahs begrüßt. Die Mannschaft ging zum Essen und war seitdem gehorsam und ruhig.

Nach der Ankunft in den Vereinigten Staaten erstattete Mackenzie Bericht ans Ministerium. Es wurde eine Commission ernannt, den ganzen Vorfall zu untersuchen, und der Bericht dieser Commission erklärte sein Verhalten nicht blos für gerechtfertigt, sondern ertheilte auch seiner Festigkeit und Umsicht die größten Lobsprüche. Die Regierung schien dadurch befriedigt zu sein. Da machten die einflußreichen Verwandten der Gehängten den Versuch, die Sache vor die bürgerlichen Gerichte zu bringen. Die Geschwornen, welche als große Jury über die Zulässigkeit einer Anklage zu entscheiden haben, erklärten jedoch mit Zustimmung des Oberrichters, eine im Kriegsdienst der Bundesregierung geschehene Handlung unterliege ihrer Jurisdiction nicht, sondern gehöre vor ein Kriegsgericht. Die Regierung berief ein Kriegsgericht zusammen, und der Staatsanwalt mußte den Capitain Mackenzie förmlich anklagen. Allein das Kriegsgericht sprach ihn ebenfalls frei und erklärte sein Verhalten für verdienstlich. Außer der Privatrache eines Onkels von Spencer, der auch Seeoffizier ist und den Capitain Mackenzie niederzuschießen gedroht haben soll, hat dieser jetzt keine weitere Verantwortlichkeit für seine Maßregel zu fürchten.

Und doch bleibt bei alle dem eine Frage unbeantwortet. Warum segelte nicht Capitain Mackenzie nach Entdeckung der Meuterei am 27. Nov. zum nächsten Hafen? Daß er am 1. Dec. dies nicht mehr zu thun wagte, weil jeden Augenblick eine Ueberwältigung der treugebliebenen Mannschaft zu befürchten war, ist erklärlich. Allein warum geschah es nicht in der Zwischenzeit? Wie nahe ihm Häfen waren, zeigt die Illustration. Am Tage der

Stand des Somers bei Entdeckung der Meuterei.

Execution befand sich der Somers unterm 171/2 Grade nördlicher Breite und 58. Grade westlicher Länge. Seine Entfernung von der nächsten Insel Guadeloupe war 212, von der Insel Antigua 218 Seemeilen. Das Schiff hatte seit mehren Tagen täglich 200 Seemeilen zurückgelegt und segelte noch jetzt vor einem festen Südostwinde, den es außerdem nicht zu verlieren fürchten konnte, da derselbe um jene Jahreszeit dort regelmäßig weht. Im Augenblicke der Execution war der Somers Guadeloupe noch um 16 Seemeilen näher gekommen und nur 196 Seemeilen davon entfernt. Capitain Mackenzie sagte in seinem Bericht ans Ministerium, von St. Thomas sei er am 1. Dec. 5251/2 Seemeilen entfernt gewesen. Hätten sich die Vereinigten Staaten mit Frankreich und England im Kriege befunden, so würde eine solche Aeußerung begreiflich sein. Da dies aber nicht der Fall, warum schweigt er da von den beiden nächsten Inseln: Guadeloupe und Antigua, wohin er mit günstigem Winde segeln konnte und wo ihm jeder erforderliche Beistand gewiß war? Die wahrscheinlichste und nächstliegende Erklärung bleibt immer noch die, daß er anfangs glaubte, durch Verhaftung der Rädelsführer die Verschwörung zu ersticken, und als er seinen Irrthum einsah, zugleich die Ueberzeugung gewann, daß er keinen Augenblick Zeit zu verlieren habe und durch einen entscheidenden Schritt das Schiff, die Mannschaft und sich zu retten verpflichtet sei.