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ADB:Ayrer, Jakob

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Artikel „Ayrer, Jakob“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 708–710, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ayrer,_Jakob&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 16:36 Uhr UTC)
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Ayrer: Jakob A., nebst Hans Sachs der bedeutendste Schauspieldichter des 16. Jahrhunderts, † zu Nürnberg im Heugäßlein 26. März 1605 als „publicus notarius und der Gerichten Procurator“ (nach einer Aufzeichnung im Nürnberger Stadtarchiv). Er gehörte nach Nopitsch nicht der Nürnberger Familie der Ayrer an, sondern hießeigentlich Eier, kam als armer Knabe nach Nürnberg und eignete sich hier Namen und Wappen jenes Geschlechtes an. Er diente erst in einem Eisenkrame, gründete darauf selbst einen solchen, kam aber im Geschäft zurück und siedelte nach Bamberg über. Dort brachte er es durch Selbststudium bis zum Hof- und Stadtgerichtsprocurator. Er war also kein studirter Jurist, wie denn auch seine Schriften überhaupt keine gelehrte Bildung zeigen. In Bamberg verfaßte er eine Reimchronik der Stadt, deren erste Bearbeitung bis 1570 reichend, also wol auch in diesem Jahr beendet, dem Bischof Veit II. dedicirt ist. Später führte er sie, mit einer Dedication an Bischof Johann Phil. von Gebsattel, bis 1599 fort, in welcher Gestalt sie von Jos. Heller 1838 herausgegeben ist. Eine dritte nur bis 1591 reichende Handschrift befindet sich in der Wolfenbütteler Bibliothek. Ungedruckt blieb bisher ein „Psalter Danitis … gesangsweiß verferdigett mit allerley schönen vnd menniglichs bekandenn [709] melotheyen“, nach der Schlußbemerkung vollendet den 25. Febr. 1574. Wol im Jahre 1593 verließ A. Bamberg seines evangelischen Bekenntnisses wegen. Denn zu diesem Jahr erwähnt er in der eben genannten Chronik der Verfolgung der Protestanten in Bamberg seitens des Bischofs Neidhard von Thüngen: es seien dadurch viel Leute in großen Jammer gekommen und zum Theil mit Weib und Kind von Bamberg fortgezogen. Daß Ayrer’s Rückkehr nach Nürnberg, wo auch sein gleichnamiger Sohn (s. d.) am 13. October 1593 das Bürgerrecht erwarb, in eben diesem Jahre stattfand, wird bestätigt durch eine Bemerkung in der jüngsten Redaction seiner Bamb. Chronik: er sei nach ihrer ersten Abfassung noch 23 Jahre in Bamberg geblieben. Er selbst ward darauf 1574 Bürger zu Nürnberg und bekleidete hier bis zu seinem Tode die Stelle eines Gerichtsprocurators und kaiserlichen Notarius. Daneben aber fand er Muße, eine überaus große Zahl von Tragödien, Komödien und Fastnachtsspielen zu dichten, von denen erst nach seinem Tode seine „Erben und guten Freunde“ einen ersten Band drucken ließen: „Opus thaeatricum. Dreyßig außbündtige schöne Comedien vnd Tragödien von allerhand denckwürdigen alten Römischen Historien vnd andern politischen Geschichten vnd Gedichten, sampt noch andern sechs vnd dreißig schönen lustigen vnd kurtzweiligen Fastnacht oder Possen Spilen etc.“ (Nürnberg durch Balthasar Scherffen Anno 1618.) Die Handschrift dieses Druckes besaß Gottsched; seitdem ist sie verschollen. Es sollte nach der Vorrede ein zweiter Band mit noch 40 Komödien, geistlich und weltlich, folgen. Dies ist leider unterblieben, auch eine Handschrift dieser weiteren Stücke bisher nicht aufgefunden. Nur drei im Druck nicht enthaltene Stücke finden sich noch in einer wol von Ayrer’s eigener Hand geschriebenen Dresdener Handschrift, welche im Ganzen 10 Tragödien und Komödien und 12 Fastnachtspiele enthält. Unter Benutzung dieser Handschrift gab Ad. v. Keller in den Publicationen des Stuttgarter litt. Vereins sämmtliche bekannte Dramen Ayrer’s in fünf Bänden heraus (1865.) Fünf Ayrer’sche Stücke ließ früher Tieck im „Deutschen Theater“ (1817) abdrucken und die zwei nach Inhalt und Form bedeutendsten Komödien „Von der schönen Phänicia“ und „Von der schönen Sidea“ nebst dem Singspiel „Der verlarft Franciscus“ theilte Goedeke in seinen „D. Dichtern des 16. Jahrhunderts“ mit. Goedeke gibt auch dort wie im Grundriß über Quellen und Abfassungszeit der Ayrer’schen Dramen (1574–98) Auskunft. A. hat sich als Dramatiker offenbar nach seinem älteren Zeitgenossen Hans Sachs gebildet; in mancher Hinsicht übertrifft er ihn. Er besitzt eine äußerst fruchtbare Phantasie; seine Composition zeigt einen nicht geringen Erfindungsgeist; in einigen Stücken, namentlich unter den Fastnachtspielen, ist der Stoff ganz von seiner eigenen Erfindung. Die Ausführung freilich bleibt noch eben so roh und oft platt, wie bei seinem Vorgänger. Der närrische Knecht, „Jahn der Possenreißer“, „Jahn Posset“, „Jahn Clam“ (d. h. Clown) fehlt auch in den Tragödien selten. Am glücklichsten zeigt sich Ayrer’s gute Laune in den Lustspielen, welche reich an wahrhaft komischen Situationen sind. Ist er gleich von Cynismus und Lascivität nicht frei, so bleibt er doch darin hinter der Sittenlosigkeit der englischen Komödien und Tragödien weit zurück. Daß übrigens die damals in Deutschland wandernden englischen Komödianten einen bedeutenden Einfluß auf ihn übten, hat Goedeke nachgewiesen. – Dem Sprachforscher bietet in Ayrer’s Werken die große Fülle von zum Theil seltenen, oft specifisch nürnbergischen Sprichwörtern eine erwünschte Ausbeute.

Nopitsch, Zus. zu Will’s Nürnb. Gel.-Lex. 5. S. 41 f. – Goedeke, Grundr. S. 411 f. Ders., Deutsche Dichter d. 16. Jahrh. – Ders., Englische Komödianten u. Jak. Ayrer (im Anzeiger für Kunde d. d. Vorzeit). 1854. K. G. Helbig, Zur Biographie und Charakteristik des Jak. Ayrer (in [710] Henneberger’s Jahrbuch für deutsche Litteraturgeschichte. 1855 I. 32 f.). Ders., Zur Chronologie d. Schauspiele des Jak. Ayrer (in Prutz’ Taschenb. 1847 S. 442 f.). K. Schmitt, Jak. Ayrer, ein Beitrag z. Gesch. des d. Dramas. 1851. K. Lützelberger, Das deutsche Schauspiel u. Jak. Ayrer (Album des litterarischen Vereins zu Nürnberg 1867. S. 110 f.).