Zum Inhalt springen

ADB:Büchner, Georg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Büchner, Georg“ von Rochus von Liliencron in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 488–490, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:B%C3%BCchner,_Georg&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:09 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Büchner, Gottfried
Band 3 (1876), S. 488–490 (Quelle).
Georg Büchner bei Wikisource
Georg Büchner in der Wikipedia
Georg Büchner in Wikidata
GND-Nummer 118516906
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|3|488|490|Büchner, Georg|Rochus von Liliencron|ADB:Büchner, Georg}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118516906}}    

Büchner: Georg B., begabter Dichter und Naturforscher, geb. zu Goddelau bei Darmstadt 17. Oct. 1813, † zu Zürich 19. Februar 1837. Sein Vater, nachmals Obermedicinalrath, ward bald nach der Geburt des Sohnes nach Darmstadt berufen. Hier absolvirte B. das Gymnasium und begab sich darauf im Herbst 1831 nach Straßburg zum Studium der Medicin und Naturwissenschaften. Daß er schon während des zweijährigen dortigen Aufenthaltes an den politischen Bewegungen, welche im April 1833 zum Frankfurter Attentat führten, theilgenommen habe, ist ein Irrthum. Erst als er im Herbst 1833 zur Fortsetzung seiner Studien nach Gießen gegangen war, ward er in das Treiben der [489] geheimen Verbindungen, deren Mittelpunkt Weidig in Butzbach bildete, hineingezogen. Doch behauptete B. sowol diesem als den Führern des „jungen Deutschland“ gegenüber, zu denen er bald in nähere Beziehungen trat, eine selbständige Auffassung der Dinge. „Nur ein völliges Mißkennen unserer politischen Lage“, schreibt er, „konnte die Leute (Gutzkow und seine Freunde) glauben machen, daß durch die Tageslitteratur eine völlige Umgestaltung unserer religiösen und gesellschaftlichen Ideen möglich sei. Auch theile ich keineswegs ihre Meinung über die Ehe und das Christenthum.“ Wie auf den Constitutionalismus Louis Philipps, so blickte er auf das deutsche Kammerwesen mit Verachtung; eine Besserung der politischen Zustände von hier aus oder überhaupt durch die Mittelclassen, an welche sich der Liberalismus mit seinen Hoffnungen und Anregungen wandte, schien ihm undenkbar. Nur in der Masse des unteren Volkes könne die durch eine Revolution zur Republik führende Kraft gefunden und dort müsse sie dadurch geweckt werden, daß man die Masse zum bittern Gefühl ihres Elendes dem genießenden Reichthum gegenüber bringe. Seine revolutionären Theorien waren mehr sozialistischer als politischer Natur. In diesem Sinne gründete er 1834 in Gießen die geheime „Gesellschaft der Menschenrechte“ und ließ durch die in Offenbach arbeitende geheime Presse der burschenschaftlichen Verbindungen die sehr scharfe Flugschrift „Der hessische Landbote“ verbreiten, an deren Manuscript allerdings Weidig Aenderungen in seinem Sinne vorgenommen hatte. Als am 1. Aug. 1834 v. Minnigerode, ein Mitglied der „Gesellschaft der Menschenrechte“, indem er eine Anzahl von Exemplaren dieses „Landboten“ in Gießen einführen wollte, gefangen genommen ward, gerieth auch B. in eine Untersuchung, die jedoch ohne Ergebniß blieb. Den folgenden Winter in Darmstadt bei seinen Eltern verlebend, schrieb er hier in fünf Wochen leidenschaftlicher Aufregung und stets seine Verhaftung befürchtend, das Drama „Danton’s Tod“, dem 1835 Gutzkow in Frankfurt einen Verleger erwarb. Von Gutzkow in seinem „Phönix“ durch eine glänzende Kritik eingeführt, erregte diese Arbeit durch vulcanisches Feuer und sprudelnden Geist großes Aufsehen. Der Dichter hatte sich schon vor ihrem Erscheinen der drohenden Verhaftung durch die Flucht nach Straßburg entzogen. Hierhin zog ihn außerdem die glühende Liebe zu seiner Braut, Minna Jäglé, mit der er sich schon während seines ersten Aufenthaltes dort verlobt hatte. In Straßburg war er mit neuen dichterischen Arbeiten beschäftigt (das satirische Lustspiel „Leonce und Lena“ und die leider Fragment gebliebene Novelle „Lenz“, aus Studien über Goethe’s unglücklichen Freund hervorgegangen, so wie Uebersetzungen von Victor Hugo’s Lucretia Borgia und Maria Tudor gehören dieser Zeit), hauptsächlich aber warf er sich in aufreibender Thätigkeit zugleich auf das Studium der vergleichenden Anatomie (Abhandlung „Sur le système nerveux du barbeau“) und der Philosophie, um sich zum Docenten für beide Fächer vorzubereiten. Der Politik wandte er den Rücken; ihm erschienen alle Bestrebungen auf diesem Gebiete für jetzt gänzlich aussichtslos und er hielt sich daher dem Treiben der politischen Flüchtlinge in Frankreich und der Schweiz ferne. Auch sein Danton ist nicht etwa ein bloßes politisches Tendenzstück: er will vielmehr ein treues Geschichtsbild geben. „Der Dichter“, schreibt er darüber, „ist kein Lehrer der Moral; er erfindet und schafft Gestalten, er macht vergangene Zeiten wieder aufleben und die Leute mögen dann daraus lernen, so gut wie aus dem Studium der Geschichte und der Beobachtung dessen, was im menschlichen Leben um sie her vorgeht.“ Freilich gelingt dem Dichter innerhalb der Einförmigkeit des allgemeinen revolutionären Pathos die Zeichnung der Charaktere nur in geringem Maße und nur eine Fülle von geistreichen Einzelheiten entschädigt für die Unförmlichkeit des Ganzen. – Im October 1836 in Zürich zum Privatdocenten ernannt und dort von Männern wie Oken, Arnold[WS 1] [490] und Schönlein mit großen Hoffnungen aufgenommen, sollte er vor völliger Entfaltung seiner Kraft das Opfer der zu großen Anstrengungen und Aufregungen seines jungen Lebens werden. Im Februar 1837 erkrankt, erlag er nach wenig Tagen einem hitzigen Fieber in den Armen seiner herbeigeeilten Braut. – Seine Geschwister sind die Schriftstellerin Louise B. (geb. 1823), Friedrich Karl Christ. Louis B. (geb. 1824, der Verfasser von „Kraft und Stoff“ etc.) und Alexander (geb. 1827, seit 1862 Professor der Litteratur zu Caen).

Nachgelassene Schriften von Georg Büchner, Frankfurt 1850 (mit Biographie). Biographie von Gutzkow in dessen „Oeffentliche Charaktere“ (zuerst erschienen im „Telegraph“). Vgl. auch Herwegh’s Gedicht „Zum Andenken an G. B.“ (in den „Gedichten eines Lebendigen“).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Friedrich Arnold (1803–1890), Professor der Anatomie und Physiologie in Zürich.