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ADB:Hiller, Ferdinand von

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Artikel „Hiller, Ferdinand (von)“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 339–341, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hiller,_Ferdinand_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 13:29 Uhr UTC)
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Hiller: Ferdinand (von) H., ein hervorragender Componist, geboren am 24. October 1811 zu Frankfurt a. M., † am 10.[WS 1] Mai 1885 zu Köln, Sohn eines jüdischen Kaufmanns, erhielt er eine sorgsame wissenschaftliche Erziehung nebst Unterricht in der Musik. Letztere wurde ihm durch Aloys Schmitt und Vollweiler erteilt. Schon mit zehn Jahren begann er zu componieren, sowie als Clavierspieler Bedeutendes zu leisten, so daß alle Sorgfalt auf seine musikalische Ausbildung gelegt wurde. Im J. 1825 brachte ihn der Vater zu Hummel in Weimar, wo er sich zum Virtuosen ausbildete und Hummel’s Compositionen zur Aufführung brachte. 1827 begleitete er seinen Lehrer nach Wien, trat daselbst als Pianist auf und gab bei Haslinger sein Opus 1, ein Clavierquartett heraus. Von hier kehrte er ins Elternhaus zurück, trat öfter öffentlich auf, wurde Begleiter am Clavier im Schelble’schen Gesangvereine und benützte zugleich die Gelegenheit, seine Gesangscompositionen singen zu lassen. 1829 begab er sich nach Paris, wurde Lehrer der Theorie im Choron’schen Musikinstitut, trat als Virtuose auf, verband sich 1835 mit dem Violinisten Baillot und gab mit demselben eine Reihe Kammermusikconcerte, brachte im Conservatorium eine Sinfonie zu Gehör und erregte in jeder Hinsicht in Paris Aufsehen. In diese Zeit fallen die Compositionen von opus 5: ein Clavierconcert, und opus 15: 24 Etüden für Pianoforte. 1836 kehrte er nach Frankfurt a. M. zurück und leitete in Vertretung des erkrankten Schelble den Cäcilienverein, ging im folgenden Jahre nach Italien und brachte seine Oper „Romilda“ auf die Bühne, die aber total Fiasko machte, dagegen wurde er durch die Leipziger Aufführung seines Oratoriums „Die Zerstörung Jerusalems“ glänzend entschädigt, welches sowol dort wie in anderen Städten Deutschlands mit stets gutem Erfolge zur Aufführung gelangte. In den Jahren 1839/40 lebte er in Leipzig, ging 1841 abermals nach Italien, besuchte Rom und lernte durch den Capellmeister Baini die alten italienischen [340] Gesangswerke eines Palestrina, Lotti, Caldara u. A. kennen und vertiefte sich in ihre wundervollen Meisterwerke. 1842 lebte er wieder in Deutschland, vertrat 1843/44 den in Berlin weilenden Mendelssohn als Dirigent der Gewandhausconcerte, veranstaltete darauf in Dresden Abonnementsconcerte, brachte seine Oper „Conradin“ auf die dortige Bühne, die aber ebenso durchfiel wie in Mailand die Romilda. 1847–1849 leitete er in Düsseldorf die Orchesterconcerte und in letzterem Jahre erhielt er von Köln den Antrag städtischer Capellmeister zu werden und die Errichtung sowie die Direction eines zu gründenden Conservatoriums zu übernehmen. 1850 trat er die vielfach verantwortliche Stellung an und behielt sie bis zum Jahre 1884, in dem er am 1. October pensionirt wurde. In den 60er Jahren traten arge Zerwürfnisse ein. Man warf ihm vor, daß er seine Pflichten vernachlässige, nicht genügend Proben mit dem Orchester abhalte und sich um das Conservatorium zu wenig kümmere, sondern Monate lang sich auf Reisen befinde, theils als Virtuose auftrete, theils seine Werke in anderen Städten aufführe, und man drohte ihm mit Entlassung, wenn er nicht bindende Versprechungen gäbe. Ehe er sich weiter band, kam er nach Berlin, gab ein Concert, wurde bei Hofe empfangen und hoffte auf eine einträgliche Stellung; da sie aber ausblieb, gab er in Köln nach und verpflichtete sich von neuem.

Hiller’s musikalische Begabung war keine gewöhnliche, er besaß eine ergiebige Erfindungskraft, hatte tüchtige Studien gemacht, doch fehlte ihm die so nothwendige Selbstkritik, so daß sich in seinen Compositionen neben Bedeutendem viele Gemeinplätze finden, die zum Schaden des Werkes sich breit machen. An diesem Mangel der Selbstkritik, die unsere Altmeister in so hohem Grade besaßen, gehen die meisten Genies unter. So lange sie ihren persönlichen Einfluß geltend machen können, der oft recht bedeutend ist, werden ihre Werke gespielt, gesungen und aufgeführt, sobald er aber durch ihren Tod aufhört, verschwinden ihre Werke in kurzer Zeit und Niemand frägt mehr nach ihnen, kaum daß sich ein oder das andere Werk auf Staatsbibliotheken rettet. H. war auch ein gewandter Feuilletonist, und zahlreich finden sich seine Artikel in Zeitschriften und in eigenen Schriften, doch ergeht es ihnen wie seinen Compositionen, sie sind für den Augenblick geschrieben und verschwinden mit ihm. Von seinen Compositionen erschien schon in den 20er Jahren opus 1 ein Quartett für Pianoforte, Violine, Viola und Violoncell in Wien, dem sich in schneller Folge Trios und Streichquartette anschlossen, also sämmtlich Werke der classischen Form. Diesen folgten Concerte für Pianoforte, kleinere Stücke, Etudenwerke, zahlreiche Lieder für eine und mehrere Stimmen. Im J. 1886 erschienen als nachgelassene Werke opus 206: 3 Stücke für Violine und Pianoforte, und opus 207: ein Trio für Violine, Viola und Violoncell in Leipzig. Von seinen Schriften in Buchform sind zu nennen: „Uebungen zum Studium der Harmonie und des Contrabasses“, 2., veränderte Aufl., Köln 1860, gr. 8°, 3 u. 145 S. Das Lehrbuch zeigte sich so brauchbar, daß es bis 1897 in 16 Auflagen erschien; „Die Musik und das Publikum“, Vortrag, ebd. 1864, gr. 8°, 34 S.; „Aus dem Tonleben unserer Zeit. Gelegentliches“, 2 Theile, Leipzig 1868, 8°, 9 u. 602 S. Neue Folge, mit Hiller’s Porträt, Leipzig 1871, 8°, 9 u. 189 S.; „Ludwig van Beethoven. Gelegentliche Aufsätze“, Leipzig 1871, gr. 8°, 5 u. 112 S.; „Felix Mendelssohn-Bartholdy. Briefe und Erinnerungen“, Köln 1873, 8°; „Briefe von M. Hauptmann an Spohr und andere Komponisten“, 1876; „Musikalisches und Persönliches“, Leipzig 1876, 8°; „Briefe an eine Ungenannte“, Köln 1877, 8°; „Künstlerleben“, ebd. 1880, 8°; „Wie hören wir Musik?“, Leipzig 1880, 12°; „Goethe’s musikalisches Leben“, Köln 1882, 8°; „Erinnerungsblätter“, ebd. 1884, 8°.

[341] Biographien in Mendel-Reißmann’s Lexikon, in der Rhein. Musikztg. 3, 929; in der Bock’schen Musikztg. 1885, S. 116; Klavierlehrer von Breslauer 1885, S. 111; Hallelujah, Musikztg. 1885, Nr. 19, z. Erinnerung. Eine Beurtheilung in Bagge’s Dtsch. Musikztg. Wien 1861, S. 193, 201.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. recte: 11.