Zum Inhalt springen

ADB:Otto-Peters, Louise

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Otto, Louise“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 737–742, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otto-Peters,_Louise&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 08:38 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Otto, Paul Martin
Band 52 (1906), S. 737–742 (Quelle).
Louise Otto-Peters bei Wikisource
Louise Otto-Peters in der Wikipedia
Louise Otto-Peters in Wikidata
GND-Nummer 118590901
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|737|742|Otto, Louise|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Otto-Peters, Louise}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118590901}}    

Otto: Louise O. oder Otto-Peters, Schriftstellerin und Dichterin (anfangs unter dem Pseudonym Otto Stern), insbesondere Frauenrechtlerin, wurde am 26. März 1819[WS 1] zu Meißen geboren, aus alteingesessener gebildeter Bürgerfamilie. Das jüngste Kind eines Gerichtsdirectors mehrerer umliegender Herrschaftsgüter, wuchs sie in glücklichsten Familienverhältnissen auf. Die Tage ihrer Kindheit, „die wie ein Märchen traumdurchwebt verrannen“, hinterließen in ihrem Geiste nicht geringere Eindrücke als im Gemüthe. Denn obwol sie schwächlich, ja kränklich, daher ein rechtes Nesthäkchen war, auch zunächst nur schwer begriff, hielt sie doch nicht allein ganze Schiller’sche Gedichte, selbst Dramenscenen frühzeitig im Gedächtnisse fest, sondern auch all die aufregenden Ereignisse der politischen Stürme um 1830: nicht zuletzt den Willkomm der Aufhebung der Vermögensvormundschaft für Frauen in Louisens Elternhause, wie diese Ende 1831 die sächsische Verfassung mit ihrem ersten politischen Gedicht begrüßt hatte. Vom Unterricht eines mehreren Familien gemeinsamen Hauslehrers und dem Besuche der städtischen Selecta aus bildete sich Louise O. unermüdlich fort. So stand sie denn, als Herbst 1835 der herrlichen Mutter und vier Monate darauf des vortrefflichen Vaters Tod das schöne Familienleben abschnitten, neben den zwei älteren Schwestern selbständig da und, als diese nach einigen Jahren fortheiratheten, auf sich angewiesen. In dieser Zurückgezogenheit, noch als sie mit den Geschwistern die Sommer auf eigenem nahen Weinberge verbrachte, beschäftigte sie sich mit litterarischen, historischen und politischen Studien; auf dem Felde der Poesie zog sie besonders die elegisch-sentimentale Richtung an: Klopstock, Young, Jean Paul, Ernst Schulze, Tiedge, aber auch Schiller, Theodor Körner, die Romantiker. Ihr Verlöbniß mit dem glühend um sie werbenden Juristen und Litteraten Gustav Müller in Dresden dauerte nur vom Juli 1840 bis April 1841, da ihn die Auszehrung hinwegraffte, dieselbe Krankheit, die ihr die Mutter und eine Schwester entrissen. Eins mit dem Verblichenen in der politischen und poetischen Begeisterung, strebte sie künftig durchaus in dem Sinne der Fortschrittsideen, welche auch ihrer Muse Richtung und Ideal gaben. Zum Theil auf Beobachtungen im erzgebirgischen Fabrikrevier bei ihrer Schwester in Oederan beruhte ihr litterarischer Erstling, der Roman „Ludwig, der Kellner“, wider die Standesvorurtheile gerichtet, „am Frühlingsanfang 1843“ mit einem Vorwort ausgesandt, dessen für die Verfasserin bezeichnende Kernstelle lautet: „Wie die Natur im März, so die jetzige Zeit! Schau’ ich mich um in der Gegenwart, seh’ ich den Kampf neuer Lebenselemente mit alten Vorurtheilen, sehe ich neue Triebe und grünes, markiges Leben, wo jüngst noch alles ohne Regung, ohne Kraftäußerung war. So glaube ich den Kalendermachern, die uns die Wendepunkte bestimmen wollen, und sage mit ihnen: ,Wir haben Frühlingsanfang. Und kommt der Frühling nicht heut’, so kommt er doch bald!‘ Alle, die in diesem Glauben, in dieser Liebe und dieser Hoffnung zur Menschheit leben, grüße ich als meine Genossen“. Louise O. veröffentlichte, da der Roman bei vielen namhaften Schriftstellern moderner Tendenz, namentlich solchen in deren damaligem Centrum Leipzig, Anklang und sie dort Ansporn und Freundschaft fand, als eine Fortsetzung, die Emancipation des weiblichen Geschlechts anpackend, sogleich „Kathinka“, dann „Die Freunde“, dessen herrnhuterisch-burschenschaftlichen Stoff sie in Thüringen gesammelt hatte: das Honorar ließ sie die Culturstätten Thüringens und Nordwestdeutschlands besuchen. Sie konnte bei der Rückkehr 1845 in Leipzig mit Ernst Keil in Verbindung treten, dessen „Gartenlaube“-Vorläufern sie kühne Mitarbeiterin ward wie schon 1844 den demokratischen „Vaterlandsblättern“ [738] Robert Blum’s mit ihrem ersten Artikel für das Recht der weiblichen Selbständigkeit. Seit diesem war Louise O. mit Wort und Schrift, in Prosa und Vers, öffentlich und im engeren Kreis die leitende Vorkämpferin der deutschen Frauenemancipation in ihrem idealen Sinne und ohne Ueberstürzen. Andererseits stellte sie sich von vornherein auf einen human-socialistischen Boden, spürte allerdings mit dem späteren Communismus der Socialdemokratie keinen Zusammenhang. Der Roman „Schloß und Fabrik“ (1840) erwuchs daraus mit den angegebenen Eindrücken vom Besuch bei der Schwester zum Tendenzconfliet zwischen Fabrikant und Arbeitern, der „Römisch und Deutsch“ (1847), 1873 als „Rom in Deutschland“ auferstehend, aus des Deutschkatholicismus-Apostels Johs. Ronge 1845er Triumphzug durch Sachsen. Die freiheitsdurstigen, auch für geknechtete Nichtdeutsche fechtenden „Lieder eines deutschen Mädchens“, von Alfred Meißner, dem sie gewidmet, „ein Schwert in Rosen“ genannt, erregten 1847 größten Beifall. Die junge Dichterin war, wenigstens im Heimathlande, schon ungemein populär, seit sie 1844 in ihrem Meißen von den Vereinen des sächsischen Sängerfestes gefeiert worden war und Anfang 1846 beim Cultusminister Falkenstein unter dem Zugeständniß des Umdrucks einiger Bogen die Freigabe ihres Romans „Schloß und Fabrik“ von der ihrerseits vermiedenen Censur erlangt hatte. Großes Aufsehen rief im März 1848, als die Revolutionsstürme einsetzten, ihre „Adresse eines deutschen Mädchens“ an das neue liberale Ministerium Oberländer und die von diesem veranlaßte Arbeitercommission hervor; sie schloß: „Glauben Sie nicht, daß Sie die Arbeit genügend organisiren können, wenn Sie nur die Arbeit der Männer und nicht auch die der Frauen mit organisiren – und wenn Alle an sie zu denken vergessen: ich werde es nicht vergessen!“ Weithin druckten die Zeitungen den Aufruf, den man als politische That behandelte. Landtag und Arbeitercommission discutirten die Eingabe – Louise O. war die Heldin des Tages. Die Minister wandten sich an sie, ebenso Deputationen der Dresdner Arbeiterschaft und der Angestellten der Meißner kgl. Porzellanmanufactur. In E. Keil’s Journal „Leuchtthurm“ erschien auf allgemeines Verlangen ihr Bildniß als das der einzigen Frau aus der ganzen Bewegung. In ihrem Geburtsstädtchen gründete sie einen demokratisch-nationalen „Vaterlandsverein“ – ihr selbst als Frau war der Zutritt zu dessen constituirender Versammlung verwehrt! Mitten im Niedergange des freiheitlichen Ringens schuf sie, einen „ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht“ dabei im Auge, 1849 die längst geplante „Frauen-Zeitung für höhere weibliche Interessen“, unter dem Motto: „Dem Reich der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen!“, die nur bis 1852 den Widrigkeiten der Reaction und der Unreife der Zeit Trotz bot. Ihr ergreifendes Gedicht auf die Erschießung des ihr eng befreundeten Volksführers Robert Blum lief dazumal, 1849, durch die ganze Presse wie einst das „Märzlied eines deutschen Mädchens“.

Unter den Opfern des Sieges, den der rasch erstarkte Arm der conservativen Gewalten über die Anhänger radicaler Reformen errang, stand der Publicist und freundliche Poet August Peters (s. A. D. B. XXV, 483–85) aus Taura im Erzgebirge – daher schriftstellerischer Noth-Deckname Elfried von Taura – Louisen zunächst nicht eben am nächsten. 1848 war der Verkehr mit ihm durch ihren lebhaften Antheil an der Gärung Sachsens als Briefwechsel begonnen, 1849, als der Strudel ihn von der mißglückten Dresdner Schilderhebung mit dem von ihm ausgebrachten erzgebirgischen Freischärlertrupp nach der pfälzisch-badischen Republik verschlagen, abgebrochen worden. Den bei Rastatts Fall mitgefangenen Idealisten überkam, als er des Todesurtheils harrte, die Liebe, und er gestand sie Louisen schriftlich, die sie erwiderte. Die [739] zwei Menschen, die sich nur einmal flüchtig gesehen und doch aus Briefen innigste Sympathie gesogen hatten, verlobten sich bei einem Besuche der Trösterin im Zellengefängniß zu Bruchsal im August 1851, ohne die Möglichkeit eines Händedrucks. L. Otto’s Biograph Rösch erzählt über diese Zeit: „Vier Besuchstage im Jahre waren ihr bewilligt worden, wo sie die weite Reise nach Bruchsal, später nach Waldheim machen konnte, um den Geliebten zu sehen – in der Zuchthausjacke und mit geschorenem Haar. Die Beiden haben sich zuerst jahrelang nicht einmal die Hand reichen können, denn zwei weit auseinander stehende Gitter machten jede Berührung unmöglich; erst später wurde eins entfernt“. Die badische Regierung begnadigte den Bräutigam 1852, lieferte ihn aber an Sachsen aus, wo er bis 8. Juli 1856 im Zuchthause zu Waldheim büßen mußte. Während dieser langen Wartezeit hat Louise nicht bloß ihrer lyrischen Leyer schöne Töne muthiger Resignation, „einem Gefangenen“ zugeeignet, entlockt, sondern sich vom socialen Romane, der sich leicht in effecthaschende Sensation verirrt hatte, ab und zu dem historischen zugewandt; mit „Cäcilie Telville“ (1852), dessen Tendenz der Nebentitel „Jesuiten und Pietisten“ anzeigt, vollzog sie den Uebergang zur objectiveren Geschichtserzählung. Peters wirkte als Redacteur in Annaberg, dann zu Freiberg als Herausgeber des Gewerbeblatts „Glückauf“ und konnte so die Heirath ermöglichen: am 24. November 1858 im Dome des Geburtsorts seiner vielgeprüften Gefährtin. 1860 übersiedelte das Paar nach Leipzig, das damit endgültig Louise Otto’s zweite Heimath wurde. Der Gatte war da erst Redacteur des „Generalanzeigers“ und gab seit 1861 die fortschrittliche „Mitteldeutsche Volkszeitung“ heraus, von Louise, der seit lange in Musik- und Kunstkritik thätigen, kräftig unterstützt. Als der ehrliche Volksmann 1864, erst 47jährig, in den Armen der heißgeliebten Pflegerin einem Herzleiden erlegen, führte sie anfangs die Feuilletonredaction an seinem Blatte fort. Dann aber, als, infolge einer äußeren Anregung durch einen ungarischen Hauptmann a. D. Korn, Herausgeber einer Frauenzeitung, am 7. März 1865 der Leipziger und vom 16.–18. October mit Ottilie v. Steyber, Alwine Winter und Auguste Schmidt, Institutsvorsteherin zu Leipzig, der „Allgemeine Deutsche Frauenverein“ unter L. Otto’s Antrieb und Vorsitz gegründet wurde und dieser 1866 sein eigenes großzügiges Organ „Neue Bahnen“ in ihre – und ihrer vertrauten Jüngerin, der gescheiten Auguste Schmidt – Hände legte, war über ihre fernere Lebensarbeit vollauf verfügt. Und diese ist reich und gesegnet gewesen! Entschieden, doch stets gemessen, taktvoll, klug in der Form, unerschrocken wie seit Anfang, unverdrossen, weil zukunftsfreudig, hat Louise Otto-Peters drei Jahrzehnte lang bis zum Tode die deutsche Frauenbewegung geführt. Nicht eine zügellose Emancipation befürwortete sie, sondern eine folgerichtige Befreiung ihres Geschlechts von veralteten Schranken, von ungerechten Vorurtheilen. Proclamirte sie auch als Parole den Satz „Alles durch die Frauen selbst!“, so bekunden doch ihre einschlägigen Propaganda- und Aufklärungsschriften zur Genüge die Leitmotive ihres Strebens: „Das Recht der Frauen auf Erwerb“ (1866; Vorwort von Joseph Heinrichs), die bedeutsame Denkschrift „Einige deutsche Gesetzesparagraphen über die Stellung der Frau“ (1876), die inhaltsreiche Jubiläumsschrift „Das erste Vierteljahrhundert des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ (1890), ein social- und culturgeschichtlich hochwichtiger Rechenschaftsbericht nicht nur, sondern auch das persönliche Glaubensbekenntnis einer starken Individualität. Man höre aus der Einleitung zur Denkschrift: „Es handelt sich also auch jetzt nur um die gesetzliche Stellung der deutschen Frauen und Mütter, also gerade in denjenigen Lebenssphären und Wirkungskreisen, auf welche die Frauen immer in [740] erster Linie als auf ihren natürlichen Beruf hingewiesen werden, und es ist darum ja gewiß auch äußerst weiblich, so mitten in der Frauenfrage stehend, auch endlich einmal nachzufragen, wie es um die Gesetze bestellt ist, welche diese Lebensverhältnisse betreffen, welche Pflichten die Frauen übernehmen, die sich verheirathen, welche Rechte und welchen Schutz ihnen die Gesetze gewähren, zuerkennen oder verweigern“. Dieses Programm ergänzen die Schlußausführungen jener imposanten Jubiläumsschrift ergreifend mit einem Rückblick aufs eigene Schaffen: „Vermehrung der Fähigkeit und Kraft zur Arbeit, Erweiterung des Arbeitsgebietes, Erziehung zur Arbeit, zum klaren Denken, zum sittlichen Wollen. Pflicht, Recht und Ehre der Arbeit – das sind die idealen und zugleich die realen Güter, die wir für unser Geschlecht erkämpfen wollen. Die ‚neuen Bahnen‘ wollen in die Freiheit des Strebens führen, dem kein Ziel gesetzt ist als die eigene Kraft und das ewige, nicht das endliche, herkömmliche Sittengesetz. Mich aber erfüllt es mit demüthigem Danke gegen die Vorsehung und doch auch mit freudigem Stolze, daß die Ideale, denen ich in ferner Jugendzeit gelebt, mir nicht im harten Kampf des Daseins geschwunden sind, und daß ich noch heute als nothwendig für mein Geschlecht erkenne, was ich vor fast 50 Jahren erstrebt. Unser Verein aber darf mit froher Genugthuung auf das erste Vierteljahrhundert seines Daseins zurückblicken. Die Wege, die er geht, sind immer noch ,neue Bahnen‘, aber es sind doch auch ‚alte Bahnen‘, denn er schreitet in der langgewohnten Richtung fort, – er fühlt sich auf dem rechten Wege und begrüßt begeistert die ersten Strahlen der nahenden Morgenröthe einer Zeit, in der unser Geschlecht im Leben der Nation die ihm zukommende würdige Stellung einnehmen wird“. An diesem 18. October 1890 huldigten die Mitglieder des „A. D. F.“ (so nannte sich der Bund kurz) mit dessen Silber-Ehrentag ihrer greisen Präsidentin (dies seit 1875), und ein Jahrzehnt später haben sie, nachdem der Frau Otto-Peters am 13. März 1895 der Tod die unermüdliche Feder entwunden, ihr in ihrem Wohnsitze Leipzig am 10. Juni 1900 in den Anlagen des Alten Johannisfriedhofs ein Marmordenkmal mit prächtigem Medaillonbild gestiftet: „Der Führerin auf neuen Bahnen In Dankbarkeit und Verehrung Die deutschen Frauen“.

Die Gedankenwelt, welche Louise Otto’s Sehnen und Wirksamkeit während der zweiten Hälfte ihrer Reife erfüllte, hat auch litterarischen Ausdruck gefunden in dem dreitheiligen Gliede der Hartleben’schen Bibliothek für die deutsche Frauenwelt: „Der Genius des Hauses“, „Der Genius der Menschheit“, „Der Genius der Natur“ (1868–70); sodann im „Frauenleben im Deutschen Reich“ (1876), Einst, Jetzt und Später durchleuchtend. Aehnlich betrachtet der vierte Band ihrer sechsbändigen Sammeldarstellung „Privatgeschichten der Weltgeschichte“ (1868–82) „Einflußreiche Frauen aus dem Volke“ wie der zweite „Merkwürdige und geheimnißvolle Frauen“. Ihre Schriften „Die Kunst und unsere Zeit“ (1852) und „Die Mission der Kunst“ (1861), ernstestem Nachdenken entsprungen, brachen für zeitgemäße Neugestaltung eine Lanze zum Besten der allgemeinen Kenntniß und der Volksbildung. Die eigenen Erzeugnisse ihrer Muse nahmen später wiederholt einen Anlauf zu feinerer Ausmünzung ihrer Themata. Jedoch überragen Gesinnung und Intention in ihren vielen erzählenden Gaben meistens das Talent und die ästhetische Höhe, welche auch öfters unter Mängeln des Styls und der Sprache leidet. Der Roman „Nürnberg“ (1858), in der sie immer wieder fesselnden alten Reichsstadt spielend wie der etwas schwächere „Die Schultheißentöchter von Nürnberg“ (1861) und gleich diesem ein geschickt aufgefaßtes Culturgemälde, steht zweifellos an der Spitze dieser ihrer meist umfänglichen [741] Schöpfungen, indem er einen, allerdings poetisch nicht ganz ausgeglichenen zeitgetreuen Ausschnitt aus dem Deutschland am Vorabende der Reformation spiegelt und markante Persönlichkeiten wie Kaiser Max, A. Dürer, Peter Vischer, Hans Sachs, Kunz v. Rosen glücklich zeichnet. Erwähnt seien noch die zwei gelungenen Romane „Die Stiftsherren von Straßburg“ (1872) und „Die Nachtigall von Werawag“ (1887) aus der langen Reihe der Genossen wegen historisch, landschaftlich und auch menschlich anziehender Züge; dann das Andachtsbuch „Die Weihe des Lebens“ (1873), sowie die beiden Operntexte „Die Nibelungen“ (1844 gedichtet, 1852 gedruckt), dessen Vertonung Rob. Schumann kurz vor seiner Erkrankung in Angriff nahm, und „Theodor Körner“ (1867), in München mit der Musik des Wagner-Anhängers Weißheimer mehrfach aufgeführt. Ihr letztes Buch „Mein Lebensgang. Gedichte aus fünf Jahrzehnten“ (1893) gibt, wie man ihrer genauesten Kennerin, Auguste Schmidt, zustimmen kann, ein tief ergreifendes harmonisches und poetisches Bild ihres Lebens und dichterischen Schaffens, zumal es auch viele der bedeutsamsten Lieder aus den ersten Sammlungen ihrer Lyrik (1847, 1849, 1868) aufgenommen hat. Edle und hohe Absichten durchdrangen Louise Otto bei jeder Zeile wie bei allen öffentlichen Aeußerungen überhaupt. Wie sich in ihrem Denken, Schaffen und Auftreten Idealismus und Realismus zu friedlicher Einheit vermischt haben, so ist auch ihr Leben ein Roman gewesen, dessen Capitel theilweise die klare Ueberlegung eines praktischen Kopfes dictirt hatte. Mit dem kühnen Streben ihrer Jugend wird Louise Otto-Peters in der Geschichte des deutschen inneren Ringens, dessen Phasen sich um das Jahr 1848 gruppiren, fortleben, mit den Thaten ihrer reifen Jahre als eine erste Führerin in der deutschen Frauenbewegung.

Ausführliche, wohl authentische Behandlung der Dichterin bei I. Hub, Die dtsch. Balladen- u. Romanzendichter4 III (1874), S. 366–70; danach meist wörtlich, nebst Bibliographie der Belletristik Brümmer, Lex. d. dtsch. Dichter u. Pros. d. 19. Jhrhs.4 u. 5 III 182. Inhaltlich gründet sich die kurze Skizze in Bornmüller’s Schriftsteller-Lexikon (1882) S. 543 sicher auf unmittelbare Angaben der Betroffenen, wie der sonst nirgends erhältliche Bericht ergibt: „Was diese Frau während der Kerkerzeit Peters’ und noch nach seinem Tode [?] zu leiden hatte, alle die Tücken der Reaction, Verhöre, Confiscationen, Hausdurchsuchungen, Ausweisungen aus Baden, aus Mainz, aus Oesterreich, klingt geradezu märchenhaft“; die daran angeschlossene Mittheilung läßt ganz ungerechter Weise leicht die idealistische Frau als Streberin erscheinen: „Sie ward nun Mitgründerin des Leipziger Frauenvereins und hielt sich mit all ihrer Kraft an der Spitze dieser Leipziger Frauenbewegung, welche Alles für die Frauen, aber auch Alles durch die Frauen erreichen will“. Ersichtlich nach Originalangaben Ad. Hinrichsen, Das litterar. Deutschland² (1891), S. 1007. Selbständig Hnr. Kurz, Gesch. d. d. Litt. IV 61, 680 u. ö., worauf Frdr. Kirchner, Die dtsch. Nationallitt. d. 19. Jhrh., S. 350 f. unmittelbar fußt. Genauestes Verzeichniß aller Veröffentlichungen bis 1875 bei W. Haan, Sächs. Schriftsteller-Lex. S. 257; vollständiges bei S. Pataky, Lex. dtschr. Frauen der Feder, II S. 109/10. – Besondere Schriften über Louise Otto-Peters lieferten Henriette Goldschmidt (Vortrag zum 25jährigen Schriftstellerjubiläum 1868), Dr. Alfred Leicht in Meißen („L. O.-P.“), endlich Auguste Schmidt und Hugo Rösch: „L. O.-P., die Dichterin u. Vorkämpferin für Frauenrecht“ (1898, R. Voigtländer’s „Biogr. Volksbücher“, Nr. 17–20), eine überaus pietät- und verständnißvolle, dabei sichtlich kritische Lebensgeschichte, Charakteristik und Würdigung voll warmer Liebe zur geschilderten [742] Freundin und deren Zielen, im rein Biographischen gutentheils nach ihren Aufzeichnungen, mit 3 Bildnissen und Leicht’s Gesammt-Bibliographie (A. Schmidt’s Annahme directer französ. Vorbilder für L. Otto, namentlich George Sand’s und E. Sue’s, ist einzuschränken: Sue’s Roman „Martin, l’enfant trouvé“ von 1847 kann natürlich L. Otto’s Debüt „Ludwig, der Kellner“ von 1843 nicht beeinflußt haben [S. 437]). Phrasenhafter Nachruf (mit Portr.) Hedwig v. Alten’s aus d. Ztschr. „Das Recht der Frau“ abgedruckt in „Dtsch. Frauen-Kalender für 1896“ S. 51–58. – Man vgl. ferner: K. Schütze, Dtschlds. Dchtr. u. Schrftstllr. (1862), S. 271 („gesinnungstüchtige, für liberal-sociale Ideen begeisterte und geistvolle Dichterin und Schriftstellerin“); Blätt. f. litter. Unterhltg., 1869, Nr. 12, 25, 49; Gottschall, Die dtsch. Nationallitt. d. 19. Jhrh.6 II 400, III 359, IV 588; (M. Maack), Die bekanntesten dtsch. Dichter d. Gegenw. (1895), S. 118 u. 11 (daselbst unrichtig L. O. als Typus psychologischer Romane); Ad. Bartels, Handbuch z. Gesch. d. dtsch. Litt. (1906) S. 505. Viele Zeitschriftenartikel beim Tod, beim Erscheinen von Schmidt-Rösch’ Monographie, der Denkmalsenthüllung u. s. w.: „Gartenlaube“ 1871 Nr. 49 S. 817 von F. v. D., mit Bildniß L. Otto’s u. Auguste Schmidt’s [diese inzwischen †: Nachruf Else Hasse’s in „Ethische Kultur“ X, 1902, Nr. 27, S. 211–12], ebenda 1900 Nr. 49 S. 840 (L. v. Bodenhausen), 1902 Nr. 52 S. 902, 1904 Nr. 1 S. 18; „Daheim“ 1900, Nr. 39, Artikel R. Paul’s „Die Frau“, 1898 Juni; „Die Lehrerin in Schule u. Haus“ 1897/98, Nr. 20; „Blttr. f. d. dtsch. Hausfrau“ 1898, Nr. 36, u. s. w. Minna Cauer, Die Frau im 19. Jahrhundert (1898), S. 113–19.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1826. Das Geburtsjahr von Louise Otto-Peters ist 1819. Bestätigt durch mehrere andere Quellen, keine führt das Geburtsjahr 1826.