ADB:Rebhun, Paul
Luther’s Tode. Er war der Sohn des Rothgerbers Hans R. zu Waidhofen, ein Bruder des Pfarrers Johann R. in Eichigt bei Oelsnitz, der, daselbst seit 1545 im Amte, 1584 verstarb und dem im Pfarramt zu Eichigt Sohn, Enkel, Urenkel u. s. w. bis zum Jahre 1752 in ununterbrochener Reihe folgten. Paul R. hat seine Studien in Wittenberg gemacht, auch in Luther’s [482] Hause gelebt und Melanchthon nahe gestanden. Er kam zuerst als Schulmeister nach Kahla, von da 1531 als Tertius an das Rathsgymnasium zu Zwickau, wo er 1535 Conrector wurde. 1538 übernahm er das Rectorat zu Plauen, aber schon nach einigen Wochen trat er das ihm übertragene Pfarramt daselbst an; er verwaltete dasselbe bis 1542, wo er auf Luther’s Empfehlung Pfarrer zu Oelsnitz im Voigtlande und Superintendent im Amtsbezirke Voigtsberg wurde. Dies Amt versah er bis zu seinem Tode. Sein Vorhaben, eine auf Luther’s Werke gestützte deutsche Grammatik herauszugeben, ist nicht zur Ausführung gelangt; mindestens ist die Arbeit nicht zum Druck befördert worden; durch sie würde er den Ruhm erlangt haben, als Vater der deutschen Grammatik genannt zu werden. Als Dramatiker ist R. von größter Bedeutung durch sein „geistlich Spiel von der gottfürchtigen und keuschen Frawen Susannen“ geworden, das zuerst am Sonntag Invocavit 1535 in Kahla unter seiner Leitung von den dortigen Bürgern aufgeführt wurde und 1536 zu Zwickau im Druck erschien. Während Inhalt und Behandlung volksthümliches Gepräge tragen, nähert sich das Stück der Form nach dem Kunstdrama, indem die Handlung nach dem Vorgang der Antike auf Acte vertheilt ist, denen Chorgesänge in lyrischen Strophen folgen. Dies letztere hatten zwar schon Kolros (A. D. B. XVI, 496) und Birck (A. D. B. II, 656) versucht; aber R. bemühte sich, auch antike Versmaße in den Dialog einzuführen, indem er sich nicht mit dem jambischen und trochäischen Verse begnügte, sondern, diesen um einige betonte Silben verlängernd, bis zum elf- und zwölfsilbigen Verse vorschritt. Als diese „schulmeisterliche Grille“ nicht den erhofften Beifall fand und seine „Susanna“ in einem Wormser Nachdruck (1538) in lauter achtsilbige Verse, allerdings unter argen Verdrehungen und Verrenkungen, umgeschrieben erschien, suchte er in einer zweiten Ausgabe (Zwickau 1544) durch Beifügung der Versmaße seine Zeitgenossen zu belehren, wobei er ausdrücklich bemerkte, daß ihm seine Reime nicht im Traume entfahren seien, sondern daß er sie mit gutem Bedacht und aus bestimmten Ursachen versucht habe. So wurde R. für einige Dramatiker vorbildlich; aber von dauerndem Erfolge war seine Neuerung nicht, der Achtsilber behauptete sich bis zum Ende des Jahrhunderts. Trotzdem ist R. von großem Einfluß auf eine Reihe von Bühnendichtern geworden, die von ihm gelernt haben. Von der unmittelbaren Anregung, die Hans Ackermann (A. D. B. I, 35) durch R. erhielt, zeugt dessen Vorrede zu seinem „Tobias“ (1539); Hans Tirolf’s Uebersetzung des „Pammachius“ des Thomas Naogeorg (A. D. B. XXIII, 245) vom Jahre 1541 entstand unter Rebhun’s Mitwirkung. R. sandte zur Empfehlung des „deutschen Gedichtes“ einige deutsche Verse voraus, weil durch Tirolf’s Uebersetzung die deutsche Sprache geschmückt und reich gemacht werde. Andere Dramatiker, wie Johannes Chryseus (A. D. B. IV, 253), Johannes Krüginger (A. D. B. XVII, 236), Martin Hayneccius (A. D. B. XI, 163), stehen nur in entfernter Beziehung zu R., sodaß es gewagt erscheint, von einer Rebhun’schen Schule zu reden, während sich nicht leugnen läßt, daß Zwickau durch R. gewissermaßen der Ausgangspunkt einer Bewegung auf dramatischem Gebiete geworden ist. Die „Susanna“, welche wiederholt aufgeführt wurde (in Zwickau 1537, in Frankfurt 1545, in Münnerstadt 1549 und 1589 u. s. w.), blieb Rebhun’s Hauptwerk. Neudrucke lieferten Goedeke (1845), Palm (Tübingen 1859), Tittmann (Leipzig 1868). Das zweite Drama Rebhun’s, „Die Hochzeit zu Cana“, das er 1538 schrieb, steht der „Susanna“ in formeller Beziehung bedeutend nach. Es ist ein dem Ehestand zu Ehren gedichtetes Spiel, mit welchem R. die fromme Ehe feiern wollte; aber da er die bei einer etwaigen Aufführung entstehenden Schwierigkeiten sah, so schrieb er 1546 gewissermaßen als Ersatz die Hochzeitspredigt vom „Hausfrieden“, ein [483] längeres Gedicht, in welchem er in einfacher, oft auch sehr drastischer Weise die fromme holdselige Hausfrau dem unfriedlichen zanksüchtigen Eheteufel gegenüberstellt. „Die Klag des armen Mannes oder Sorgenvoll“ (1540) ist ein poetischer Dialog von großer Breite. Ein „Gespräch von der Summa des christlichen Glaubens“ nennt Döllinger, Reformation II, 203. Endlich wird R. als Verfasser eines lateinischen Schulbuches: „Latine dicendi formulae ad informandam puerilem linguam ex Terentio collectae“ genannt, das er bereits 1545 schrieb, das aber erst 1580 zu Görlitz gedruckt wurde.
Rebhun: Paul R., einflußreicher deutscher Dramatiker, geb. zu Anfang des 16. Jahrhunderts zu Waidhofen an der Ips in Oesterreich, † 1546 wenige Monate nach- (Schwindel) Thesaurus bibliothecalis IV, 162. – Goedeke, Elf Bücher deutscher Dichtung, Leipzig 1849, I, 71 ff., und Grundriß II, 358 f. – Rebhun’s Dramen, herausgegeben von Hermann Palm. Stuttgart (Litt. Verein Nr. 49) 1859. – Schauspiele aus dem 16. Jahrhundert, herausgegeben von Julius Tittmann. Erster Theil. Leipzig 1868 (Deutsche Dichter des 16. Jahrhunderts, herausgegeben von Karl Goedeke und Julius Tittmann. Zweiter Band) S. XXII f., 19–106. – Rob. Pilger, die Dramatisirungen der Susanna im 16. Jahrhundert, Halle 1879; vgl. Goedeke, Gött. gel. Anz. 1880, 651 f. – Bolte, Märkische Forschungen XVIII, 197.