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ADB:Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anshelm von

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Artikel „Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anshelm von“ von Erich Schmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 169–173, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ziegler_und_Kliphausen,_Heinrich_Anshelm_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 19:23 Uhr UTC)
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Band 45 (1900), S. 169–173 (Quelle).
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Ziegler: Heinrich Anshelm von Z. und Kliphausen, Dichter und Geschichtschreiber, wurde als zweiter Sohn des gleichnamigen oberlausitzischen Rittergutsbesitzers und der Schlesierin Helena Sabina, geb. v. Hochberg, zu Radmeritz am 6. Januar 1663 geboren, besuchte das Görlitzer Gymnasium und widmete sich von 1680–1684 auf der Universität Frankfurt juristischen, historischen und litterarischen Studien. Der Tod seines Vaters zwang ihn unmittelbar nach dem Quadriennium die Verwaltung des Gutes Probsthain zu übernehmen, das er aber, infolge seiner frühen Heirath, mit Podelwitz und Altkötitz (von hier ist im December 1694 die Vorrede des „Schauplatzes“ datirt), endlich Liebertwolkwitz bei Leipzig vertauschte. Aus der am 6. August 1685 in Dresden mit Sabine v. Lindenau, der Tochter eines hohen Hofmannes, geschlossenen Ehe gingen vier kurzlebige Söhne und drei Töchter hervor (Zedler, Universal-Lexikon 62, 588). Sein unvermählter älterer Bruder, Joachim Sigmund auf Radmeritz, war Kammerherr; unser Z. hat dem Herrscherhause devot gehuldigt, aber jede Hofstellung verschmäht, sondern die Muße, die dem kurfürstlichen Rath und Assessor des meißnischen Stiftes in Wurzen blieb, einer aufreibenden Schriftstellerei geopfert. Die zarte Gesundheit des Hypochonders wurde durch stetes Hocken über dem Wust historischer Sammelsurien vollends zerstört, so daß er schon am 8. September 1696 der Auszehrung erlag. „Sein schönes Sterbe-Lied in des seligen Uhlichs Pretscher und Leißniger Gesangbuch heißt: So schweb’ ich zwischen Tod und Leben“ (Wetzel, Hymnopoeographia 3, 469).

Das Vorwort der „Helden-Liebe“ (April 1691) sagt, der Verfasser werde an der schon vierjährigen Arbeit eines „so genannten Theatri oder Trophaeorum Temporis, sonder Abbruch schuldiger Amts-Geschäffte, behertzt fortfahren“. So entstand allgemach sein dem Kurfürsten Friedrich August schwülstig und schmeichlerisch gewidmeter „Täglicher Schauplatz der Zeit“, 1695 auf Kosten des Autors in Frankfurt a. M. herausgegeben, zwei Halbfolianten von 1492 Seiten ohne das Register. „Es hat von Jugend auff ein geheimer Einfluß eine ungemeine Liebe zur Historie und deren Connoissance in mir erreget, und dergestalt eingepflantzet, [170] daß ich dieser politischen Göttin fast die meiste Zeit meiner Jugend auffgeopffert.“ Die Mühen solle das Urtheil belohnen, er habe es gut gemeinet; dem fügt er noch die im 17. Jahrhundert übliche, nunmehr „nach einem etwas alt-Fränckischen Stylo schmeckende“ Abwehr „An Signor Zoilum“ bei. Die Weltgeschichte ist in dem wissenschaftlich nichtigen Wälzer Tag für Tag vom 1. Januar bis zum 31. December kunterbunt excerpirt, so daß ein Passauer Brand, der Zug durchs rothe Meer, das Leben Alexander’s des Großen unmittelbar auf einander folgen und Hof- und Staatsactionen wie die Katastrophe der Maria Stuart oder Genealogien mit neuen Morithaten wechseln. Materialien zur Fortsetzung (80 Foliobogen; s. auch die Vorrede 1718) benutzte Sinold-Schütz für den „Historischen Schauplatz und Labyrinth der Zeit“ 1701, das wiederum von fremder Hand (Stieff) weitergeführt wurde, in andrer Einrichtung und mit mehr anekdotischen, sagenhaften, schildernden Zuthaten als Ziegler’s Geschichtklitterung, die ein „Kern aller Chroniken und Auszug der besten Historien“ sein soll. Weder die ziemlich trockne Sprache des mühselig zusammengeklaubten Diariums noch die eingestreuten, an die Ziffer 1200 reichenden „Poetischen Grabschrifften“ lassen den Stil ahnen, dem der Dichter sich vorher hingegeben hatte.

Sein berühmtes Hauptwerk ist der 1688 erschienene, weit ins 18. Jahrhundert hinein immer wieder aufgelegte, 1721 von J. G. Hamann mit einem zweiten Theil, der einen bloßen Abklatsch gibt, versehene Roman „Asiatische Banise, oder blutiges doch muthiges Pegu, in Historischer und mit dem Mantel einer Helden- und Liebes-Geschicht bedeckten Warheit beruhende“ (Neudruck Bobertag’s in Spemann’s Deutscher Nationallitteratur Bd. 37). Der Titel verheißt, was in jener Zeit so beliebt ist: einen fernen exotischen Schauplatz, historisch-politische Actionen und heroisch-galante Abenteuer; zugleich wird im Aushängeschild ein Pröbchen des schwülstigen Stils gegeben. Aber Ziegler’s Lieblingsstudium, die Geschichte, macht sich nicht mit curiöser Gelehrsamkeit breit, obwol er, namentlich in den loser gefügten zweiten Theil, allerlei Schilderungen einflicht und hie und da auf deutsche wie ausländische Gewährsmänner Bezug nimmt: Huygen van Linschoten, Royer, Happel u. s. w., Francisci, dessen unselbständiger „Ost- und West-Indischer, auch Sinesischer Lust- und Staatsgarten“ den ganz frei ausgestalteten Stoff geboten hat. Nach offenbar sehr rascher Arbeit widmete der junge Mann seinen Roman dem Kurprinzen und sprach sich in der Vorrede an den Leser bescheiden über diese „unzeitige frucht seichter lippen“ aus, auch auf Meister Lohenstein’s nunmehr druckfertigen Arminius vordeutend. Sein Geschling wechselvoller Liebesabenteuer und der Umwälzungen eines hinterindischen Kaiserreiches bleibt zum Glück in leidlich engen Grenzen, nicht so einfach wie Zesen’s sterbeblaue „Adriatische Rosemund“, aber weit entfernt von dem ungeheuren, vielbelasteten Umfang der romans de longue haleine und darum noch heut ohne die eherne Geduld lesbar, die etwa Anton Ulrich erheischt. Der Kampf um die Geliebte und der Kampf um das Reich sind eins, denn beide hält derselbe Tyrann in seinen Klauen. Heldin ist eine verfolgte Tugendprinzeß, die „unvergleichliche, göttliche, himmlische“ Banise, deren hohe Familie hingeschlachtet wurde; ihr nach orientalischem Muster durch eine Traumliebe erkorener Ritter und Retter der ausbündige Prinz Balacin; ihr Hauptfeind der rebellische Bluthund Chaumigrem, ein den großen Tamerlan und die Trauerspielscheusäler des 17. Jahrhunderts übertrumpfender Wütherich, der als entsetzlicher Poltron Grausamkeit und Brunst vereinigt und mit dem famosen Wenzel der Wiener Action in mörderischen Befehlen wetteifert. Dasselbe Blatt schildert Banisens alabasterne und koralline Reize und carikirt die Erscheinung jenes „rechten crocodils der liebe“. Neben ihm steht ein geiler alter Rolim (Oberpriester), der nach Hofmanswaldau’scher Liebeswerbung die vielgeprüfte Schöne vergewaltigen [171] will – was Chaumigrem unglaublicher Weise nicht vollbringt –, aber erstochen wird. Nebenhandlungen ziehen sich oft unterbrochen hin. Eine Dame Potiphar darf nicht fehlen. Der Spannungsapparat des Buches fordert, daß die zu frohen Hochzeiten führende Rettung mit der allerhöchsten Gefahr zusammenfällt. Die Vorgeschichte wird störend in mehreren weitschweifigen Berichten von Scandor und Talemon erzählt. Dieser Scandor aber muß zugleich für humoristische Würze sorgen, ein gemilderter Pickelhäring, der manchmal cynisch von den Weibern spricht, als verkleideter Krämer saubre Reden über Schönheitssalben und Schminköl führt und nach einer Verwechslungsintrigue als plötzlicher Ehemann auch ein Nachtliedchen auf seine Jungferschaft singt. Immerhin ist die Erotik discret behandelt. Deutet Scandor als halbkomischer Knappe des Prinzen auf die Bandenstücke, so geben viele ernste Partien dem Werk das Gepräge eines Romanpendants zu den rhetorischen Kunstdramen; lange eingeschachtelte Erzählungen, große Reden, theils sehr leidenschaftliche, theils recht schulmäßig ausgearbeitete Monologe wie der von Banise im Widerspruch zur Situation gehaltene letzte, Arien, Episteln, die etwa anheben: „Hier kömmt ein kleiner brief, durch liebe stylisiret.“ Interjectionen „O Weh Ach“ sind nicht gespart. Eine „Blitz, Donner, Hagel“ aus dem Munde des Prinzen macht als stimmender aber schreiender Accord den Anfang eines Romans, der extreme Tugenden und Laster, Triumphe und Niederlagen nur in vollen, grellen Farben malt, um die Phantsaie so brutal wie möglich zu bearbeiten. Hier das Bild eines Tigers beim Leichenschmaus, da die fabelhafte Tödtung mehrerer Räuber, dort ein unendliches Gemetzel, wo hundert Pferde mit geviertheilten Menschen beladen erscheinen. Ganze Länder verschlingt der scheußliche Hauptrebell zum Frühstück in seinen „weiten Rachen“, Hekatomben schlachtet er hin, bis er endlich im Blute sich wälzend und brüllend den schwarzen Geist der Hölle gibt. Anderseits gewährt weibliche Schönheit manches marinistische Schauspiel, der Reiz des Indischen spielt, der Elephant interessirt nicht bloß durch seine Thränen, sondern auch durch das aus Gold und Rubinen verfertigte Zahnfutteral. Aufgedonnerte Hyperbeln, abgeschmackte Bilder, gesuchte Concetti kennzeichnen den Stil; daß Z. nicht bloß mittelbar bei den Italienern zu Gaste gegangen ist, beweist das zum Schlusse sehr äußerlich beigefügte opernhafte Heraclius-Drama, eine 1687 selbständig erschienene Uebersetzung. – Die Banise, die bis auf den heutigen Tag sprichwörtlich geblieben ist, behauptete sich lang in der Gunst des Publicums und ihr Name diente wie der des Robinson noch zur Reclame („Sonderbare Lebensgeschichte der deutschen B.“ 1732, „Die engeländische B.“ 1754), als Gellert’s „Schwedische Gräfin“ eine neue Bahn gebrochen hatte. Die große Recension in Gottsched’s „Beyträgen“ 1733 (6. Stück S. 174) geht ihr zwar mit berechtigten Einwänden wie mit eingebildeten Gattungsgesetzen zu Leibe und meint, der hochtrabende Autor selbst sei ein asiatischer Peguaner, kein Meißner; aber der Criticus gibt nicht bloß zu, daß seit fünfundvierzig Jahren niemand die Fehler des Buches aufgedeckt habe, sondern schließt sogar: „bey diesem allem ist und bleibet die a. B. nicht ohne Werth, ja sie ist unter allen deutschen Romanen noch für den besten zu halten.“ Ihr Coulissenreißerstil empfahl sie den Banden: sie gewann die Opernbühne und erscheint z. B. im Repertoire Schuch’s, von Brunius dramatisirt („Die siegende Unschuld in der persohn der a. B.“ Graz 1722, s. Schlossar, Oesterreichische Cultur- und Litteraturbilder 1879, S. 88, auch Müller in Zacher’s Zeitschrift für deutsche Philologie Bd. 22). Die Gottschedianer gingen auf der Stoffjagd nicht an der Trägerin eines so zähen Ruhms vorbei: 1743 brachte ihre Deutsche Schaubühne die dramatische Jugendsünde Friedrich Melchior Grimm’s „Banise ein Trauerspiel“, schwache Alexandriner, deren 5. Act doch der Knabe Goethe auf seinem Puppentheater (Wilhelm Meister’s Lehrjahre I, 6) lärmend zum besten [172] gab. Gottsched bemerkte voran (3, 14), schon der Name Banise werde den Lesern theils ein Gespötte, theils ein Vergnügen erwecken; Vergnügen bei denen, die nicht leicht den Schauplatz versäumten, so oft eine Bande das bisher daraus gezogene Stück ankündige. Er, für seine Person kein Liebhaber des Romans, habe schon vor mehr als zehn Jahren einen Leipziger Collegen zu regelmäßiger Bearbeitung veranlaßt, doch sei diese vom Verfasser unterdrückt worden. Noch im 6. Theil („Herr Witzling“, S. 535), wird dem Grimm’schen Stück aus Fractionspolitik das Wort geredet: es sei „doch unendlich besser, als die alte prosaische Banise, die man gleichwohl noch immer spielt, so dumm als sie ist.“ Ja, der Maler Müller, der als Jüngling eine Banisen-Oper begonnen hatte, legte als Greis in Rom die modrige Fabel unglücklich genug einer altpersischen Novelle „Der hohe Ausspruch oder Chares und Fatime“ (1824) zu Grunde (Seuffert, S. 232 ff.). Zwei Menschenalter früher hatten die Litteratur-Briefe einen Psammetich-Roman dadurch verächtlich machen wollen, daß sie ihn kurz eine „ägyptische B.“ nannten.

„Nachdem mich meine A. B. bey ihrer Retour versichert“, sie habe Neigung gefunden und der Verleger werde die Exemplare eines ferneren Werks nicht zur Maculatur liegen lassen, sende er die Schwester nach – so erklärte Z. 1691 im Vorwort seiner dem kursächsischen Frauenzimmer zugeeigneten „Helden-Liebe der Schrifft alten Testaments in 16 anmuthigen Liebes-Begebenheiten“. Die christliche Heroide deutscher und auswärtiger Neulateiner bis zu Barläus fortzusetzen, war man durch manche Scenen biblischer Dramen, durch Romane wie Pallavicini’s verdeutschten „Simson“ oder die unserm Z. wohlbekannten Assenath-Dichtungen Zesen’s und Grimmelshausen’s, vor allem durch den Erfolg der raffinirten, vornehmlich durch Ovid und durch Drayton geweckten Episteln aus Schlesien (vgl. Ettlinger, C. Hofman v. Hofmanswaldau 1891, S. 56 ff.) angetrieben. Joachim Meier folgte dann mit alttestamentlicher Epik; E. Neumeister verschmähte den biblischen Brief nicht. Z. erklärt: „Die Helden-Brieffe des unvergleichlichen Herrns v. Hoffmannswaldau haben mich veranlaßt, als ein Blinder dem Lichte zu folgen, und zu sehen wie weit sich die Unvollkommenheit eines begierigen Geistes extendiren lasse. Nach diesem Nord-Sterne richtete ich meine kühne Fahrt ein, und erwehlte die heilige Schrifft zum sichern Hafen meines Unterfangens, welches mir so weit glückte, als denen Ost-Indien-Fahrern, welche zwar gleichen Cours, aber nicht gleiche Ladung haben.“ Auf langathmige Prosaerzählung, die einzelne Charakterbilder, Reflexionen oder den thörichten Beweis, Jephtas Tochter und Iphigenie seien identisch, mit sich führt und deren blumiges Schöpfungsgemälde gleich anfangs in bösem Gegensatze zur Erhabenheit der Genesis steht, folgt immer das Briefpaar in gekreuzten Alexandrinern; stets je 100, wie das Hofmanswaldau vorgemacht hatte. Register und Proben bei Jördens 5, 626, 630. Zunächst sendet Eva durch den Westwind ihr Liebesbekenntniß, dann tauschen die aus dem Paradies vertriebenen Menscheneltern ernste Betrachtungen. Ueppig schreibt Sephira. Aber der Marinismus des Ausdrucks ist im Ganzen gemäßigt, und die biblischen Stoffe geboten Vorsicht, wie denn Z. ausdrücklich seine Behutsamkeit verficht, wenn dem Paare David und Bathseba gegenüber „sich die freye Feder erkühnet, die fleischlichen Gedancken, als das Riesen-Schwerd des höllischen Goliaths, in etwas zu entblösen, welches einem wohl-gegründeten Christen sonder Ärgernüs zu betrachten wohl erlaubet ist“. Die geschmacklose, langweilige Sammlung blieb kraft wiederholter Auflagen im Schwang und erhielt durch den faden Lehms einen gleichfalls sechzehn Stücke umfassenden „zweyten Theil“, der auch ins neue Testament hinübergreift: so „Die weibliche Jungfrau oder die gebährende Keuschheit“, Joseph beklagt den vermeinten [173] Fall seiner Maria, diese widerlegt alle Scrupel. Die geschwätzige Vorrede preist den „unsterblichen Ziegler“.