ADB:Burchard (Bischof von Lübeck)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Burkhard (von Serkem)“ von Wilhelm Mantels in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 557–559, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Burchard_(Bischof_von_L%C3%BCbeck)&oldid=- (Version vom 27. April 2024, 00:32 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Burchard III.
Band 3 (1876), S. 557–559 (Quelle).
Burkhard von Serkem bei Wikisource
Burkhard von Serkem in der Wikipedia
Burkhard von Serkem in Wikidata
GND-Nummer 118665170
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|3|557|559|Burkhard (von Serkem)|Wilhelm Mantels|ADB:Burchard (Bischof von Lübeck)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118665170}}    

Burchard (von Serkem), der 11. Bischof von Lübeck, vorher Domcantor, folgte ohne lange Sedisvacanz dem am 4. Jan. 1276 verstorbenen B. Johann III. und starb nach 41jähriger Regierung am 13. März 1317. Sein und des B. Johann IV. Grab im nördlichen Umgange des Doms deckt eine gemeinsame kunstvolle Platte von Messing. Der merkwürdige Mann entwickelte während seines langen Lebens (nach gleichzeitiger urkundlicher Niederschrift soll er 1276 schon ein Achtziger gewesen sein, wovon der Stadtchronist freilich nichts berichtet) eine ungemeine Rührigkeit in seinem Amt und große Zähigkeit in Wahrung der Rechte des Stifts. Er hatte zu den Gegnern seines Vorgängers gehört, der die [558] Zügel bischöflichen Regiments straffer anzog; handhabte aber, von jenem zur Wahl empfohlen, die Gewalt ebenso streng. Genau ließ er seine Gerechtsame, Rechte und Pflichten der einzelnen Domherren verzeichnen und forderte regelmäßige Rechnungsablage. Im Archiv schuf er die erste Ordnung, besserte die durch Bauten seines Vorgängers geschädigten Finanzen, stiftete die Domkellnerei und wandelte die Pfarrkirche zu Eutin in ein Collegiatstift um. Schon 1277 gerieth er mit der Stadt über gegenseitige Gerechtsame in Streit, nachdem er im ersten Sommer in Frankreich gewesen war. Bei der immer unabhängiger werdenden reichsfürstlichen Stellung des Bischofs hatte der Rath fortwährenden Uebergriffen des der weltlichen Hoheit entzogenen geistlichen Rechts in die Besitz- und Verwaltungsverhältnisse der reichsfreien Stadt zu wehren. Der Bischof aber mußte vielfach wirklichen oder vermeintlichen Beeinträchtigungen begegnen, welche ihm die weltliche Macht schuf, häufig mit Benutzung der neuen kirchlichen Schöpfungen der Zeit, namentlich der von bischöflicher Gewalt eximirten Bettelorden. Um die Grenzen der Befugniß der letzteren handelte es sich bei dem ersten Zwiste mit B. Das Verbot der Bestattung einer angesehenen Wittwe bei den Franciscanern führte zu Tumult und Beleidigung der Domherren, zum Auszug des Capitels nach Eutin, zu Bann und Interdict gegen die Stadt und die mit ihr haltenden Bettelorden. Ein Vergleich des Erzbischofs Giselbert von Bremen scheiterte an Gewaltthätigkeiten des Volks beim Versuch der Rückkehr des Capitels im Herbst 1277. Erst Ostern 1281 erfolgte dieselbe, nachdem in Rom zu Gunsten der Bettelmönche entschieden war, auf Grund früherer päpstlicher Privilegien und unter Wahrung der Parochialgebühren des Stifts. Durch ein zweites päpstliches Erkenntniß vom 7. April 1282 ward das unklare Rechtsverhältniß zwischen Rath und Capitel geregelt, worauf B. im Herbst von Rom zurückkehrte, nachdem er fast volle 4 Jahre seine Sache persönlich betrieben hatte. Er fand einen neuen Competenzstreit über das Präsentationsrecht des Raths in Betreff der Pfarrkirchen vor, den jedoch beiderseitige Versöhnlichkeit aus dem Wege schaffte, indem 1286 vorläufig dem Rath dieses Recht für seine, die Rathspfarrkirche zu St. Marien, voll zugesprochen ward. Ein hartnäckigerer Kampf aber entbrannte zehn Jahre später über einen neuen Sommersitz, den der Bischof unterhalb der Stadt bei Altlübeck angelegt hatte. Die Kirche im wendischen Lübeck hatte Bischof Vicelin gehört. Er und seine Nachfolger erwarben nach der Zerstörung der Stadt den Platz, auf dem sie gestanden, mit Burgwall und Umgebung an der Einmündung der Schwartau in die Trave. Ein fester Hof ward dort erbaut. Die Stadt Lübeck aber, getreu der Politik, ihren Strom von fremdem Einfluß frei zu halten, erlangte von Burchards Vorgängern die Einräumung des Burghügels und der Travenwiese, die diesen von ihrem Gebiet trennte. Die Bischöfe verlegten ihren Hof, der den Namen Altlübeck behielt, landeinwärts. Neben diesem baute B. die neue Behausung, die er zum Schutz mit Wall und Graben versah. Dadurch ward die Besorgnis vor einer abermaligen Beherrschung des Stromes durch ein festes Haus erweckt. Andrerseits hatten die Lübecker gegen den Wortlaut des Vertrages travenwärts eine Mühle angelegt. Unbestimmtheit der Wiesengrenzen, Zweideutigkeit des Namens Altlübeck machten die beiderseitigen Forderungen vollends unklar. Ein schiedsrichterlicher Spruch ward vom Bischof verworfen, von der Stadt zur Grundlage weiteren Vorgehens gemacht. Es folgte abermaliges Interdict und, als daraus zügellose Volkshaufen den neuen Hof überfielen, ihn und anderes Eigenthum des Stiftes in und außer der Stadt zerstörten, die Excommunication des Raths, dem die Bettelorden wiederum beistanden. Verwendung bei K. Albrecht, Einmischung des Herzogs Otto von Braunschweig führten zu keinem Ziel. Die Sache schleppte sich in Rom und bei den schwankenden Verhältnissen des päpstlichen [559] Stuhls in Avignon bis zu Burchards Lebensende hin und ward, nach vollen Entschädigungszahlungen und unter großen Proceßkosten für die Stadt, so entschieden, daß dem Bischof der Hof, aber ohne Wall und Graben, gestattet wurde, der Stadt Ufersaum und Mühle verblieb. Erst Burchards Nachfolger, Heinrich II. (s. d.), konnte die Aufhebung der Excommunication verkünden und die streitigen Grenzen reguliren. – Vgl. G. W. Dittmer, Burchard v. Serken und seine Zeit. Lüb. 1860. C. W. Pauli, Lübeckische Zustände, II. S. 24 ff.