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ADB:Gärtner, Friedrich Ritter von

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Artikel „Gärtner, Friedrich Ritter von“ von Friedrich Pecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 380–381, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:G%C3%A4rtner,_Friedrich_Ritter_von&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 07:08 Uhr UTC)
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Gärtner: Fr. v. G., Architekt, geb. zu Coblenz am 10. December 1792, gest. zu München am 21. April 1847, ist derjenige Baukünstler, welcher Klenze’s Classicismus in der Gunst des Königs Ludwig lange Zeit durch seine Romantik verdrängend die zweite große Bauperiode in München eingeleitet und ihr den Stempel seiner Persönlichkeit aufgedrückt hat. In Coblenz als der Sohn eines Hofbauintendanten geboren, der von dort nach Würzburg und 1804 nach München berufen ward, machte er erst an der dortigen Akademie, dann 1812 bei Fontaine in Paris seine Studien und besuchte hierauf 1814–18 Italien, wo er sich besonders dem Studium der antiken Architekturen in Sicilien widmete und auch ein Werk über dieselben, „Ansichten der meist erhaltenen Monumente Siciliens“ herausgab. 1820 ging er dann nach Holland und England, ward aber noch im gleichen Jahre zurückberufen, um die Professur der Architektur an der Akademie zu übernehmen. Bald ward er auch zum obersten Leiter der Porzellanmanufactur, dann noch der Glasmalereianstalt ernannt. Erst um 1829 erhielt er indeß durch Cornelius’ Verwendung, der ihn gefügiger als Klenze meinend, dem Könige empfahl, den Bau der Ludwigskirche und damit Gelegenheit sich in dem Vertrauen des Monarchen so festzusetzen, daß er bis zu seinem Tode nicht wieder daraus verdrängt wurde. Man kann nicht sagen, daß er dasselbe sehr glänzend gerechtfertigt hätte, im Gegentheil war es ein Unglück für den König, wie für die Münchener Bauentwicklung, am allermeisten aber für Cornelius selber, mit dem er nun bald in die bitterste Feindschaft gerieth. Den wandelnden Neigungen des Königs gefällig entgegenkommend, beginnt hauptsächlich mit ihm jenes unselige Herumtappen in allen möglichen Stilformen, das in dieser zweiten Hälfte der königlichen Bauthätigkeit Alles das wieder verdarb, was Klenze durch seine richtige Einsicht, consequentes Vorgehen und überlegenes Talent in der ersten bereits errungen. Dafür herrschte jetzt jener romantische Dilettantismus, der von nun an die Münchener Baukunst fast ein volles Menschenalter hindurch charakterisirt, und Stilgefühl, decorative Kunst wie das Handwerk gleich sehr herunterbrachte. Er hat denn auch der unteren Hälfte der Ludwigsstraße jenes öde, mönchisch rohe Gepräge aufgedrückt, das jedes feinere Kunstgefühl beleidigt. Gleichwol kann man nicht sagen, daß G. ohne Talent gewesen, denn wenn z. B. die Silhouette der Ludwigskirche einen so nüchternen Eindruck macht, so liegt dies hauptsächlich am Könige selber, der aus dem Plan die projectirte Kuppel über der Vierung strich. Der Hauptfehler Gärtner’s war sein Mangel an feinem Gefühl, der ihm selbst bessere Compositionen wie die des Treppenhauses in der Bibliothek verdarb, die noch während des Baues der Ludwigskirche ebenfalls in einer Art von florentinisch-romanischem Stil begonnen ward. Dasselbe gilt von der später durch Klenze vollendeten Befreiungshalle in Kehlheim, einer wunderlichen Nachahmung des Battisteriums in Pisa, in deren Innerem 38 einen Ring schließende Victorien den damaligen deutschen Bund symbolisiren und deren künstlerischer Werth allerdings dem der Institution selber entspricht. – Imponirt die Bibliothek trotz ihrer unerhörten Armuth an Formen, die eine 500 Fuß lange Fronte vollkommen ungegliedert läßt, so baute außerdem G. in der Ludwigsstraße noch die Universität, die ihr gegenüberliegenden beiden Convicte, die Salinen-Administration, das Blinden-Institut u. A. mehr oder weniger [381] in romanischem Stil, alles Gebäude, deren Nüchternheit und finsteres Wesen am allerwenigsten über ihre Unzweckmäßigkeit und Raumverschwendung zu trösten vermag, deren Technik aber einen kläglichen Rückgang der so glänzend vom König begonnenen Kunstbestrebungen documentirt. Besser sind jene beiden die Straße abschließenden triumphbogenartigen Gebäude, die der Loggia dei Lanzi direkt, aber ohne Verständniß ihres malerischen Sinns nachgeahmte Feldhernhalle und das den Constantinsbogen mit Geschick wiedergebende Siegesthor, das allein von allen Gärtner’schen Bauten eine wirkliche Zierde der Stadt genannt werden muß, deren Hauptverdienst freilich dem lediglich nachgebildeten klassischen Muster zufällt. – Von weiteren Bauten wäre dann noch der Münchener Campo santo sowie das sogenannte pompejanische Haus in Aschaffenburg zu nennen, eine Villa in römischem Geschmack, und die byzantinische öde Residenz in Athen. Nach Cornelius’ Weggang von München erhielt G. auch das Directorium der Akademie, das er bis zu seinem Tode bekleidete und dort denselben ungünstigen Einfluß äußerte wie in der Architektur mit seiner Ersetzung der Renaissance durch die armen und wenig elastischen romanischen Bauformen, deren unbehülfliche Dürftigkeit sich nun auch alsbald in der Privatbauthätigkeit fortsetzte, wo Gärtner’s Schüler, Bürklein, Sipmann, Greuter, Voit u. A. eine trotz allen Talents selten recht erfreuliche Thätigkeit entwickelten. Denn daß der romanische Stil nur durch geschickte Benutzung des ihn beseelenden malerischen Elements, farbiger Decoration sowol als Plastik und Malerei angenehm zu wirken vermag, das begriffen weder G. noch seine Schüler, im Gegentheil erlahmten monumentale Malerei und Sculptur unter seiner Herrschaft vollständig, und keine einzige seiner Bauten leistet weder in dieser, noch weniger aber in decorativer Beziehung irgend Erhebliches. Im Gegentheil hat er selbst die Fresken der Ludwigskirche durch eine unpassend schreiende Decoration nicht wenig beeinträchtigt. – Nichtsdestoweniger muß zugegeben werden, daß wenn Gärtner’s Bauten an Werth und Verständniß der Zeit und ihrer Forderungen nicht entfernt an das hinanreichen, was gleichzeitig Schinkel und Semper schufen, oder was später Hansen im byzantinischem Stile leistete, dennoch die mit ihm beginnende Bauperiode ein ungewöhnlich passender Ausdruck für das damals zur Herrschaft gelangende Regierungssystem eines Abel und Wallerstein war, wie denn in beiden sich die romantische Willkür mit bigott mönchisch finsterem Wesen verbanden, ein Anachronismus in unserer Zeit, dem das Jahr 1848 alsbald ein klägliches Ende bereitete.