ADB:Heinrich von Neustadt

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Artikel „Heinrich von Neustadt“ von Elias von Steinmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 639–640, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_von_Neustadt&oldid=- (Version vom 2. Mai 2024, 01:33 Uhr UTC)
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Band 11 (1880), S. 639–640 (Quelle).
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Heinrich von Neustadt, d. h. Wiener-Neustadt, Arzt in Wien, 1312 urkundlich nachgewiesen, wo er und seine Frau Alheit mit dem Freisinger Hofe am Graben zu Wien belehnt werden, ist der Verfasser zweier deutscher Gedichte, deren erstes den Titel „Apollonius“, das andere den „Von Gottes Zukunft“ trägt. Die Quelle des Apollonius bildete die bekannte Historia Apollonii regis Tyrii, welche ihm der in Urkunden der Jahre 1297–1318 öfters genannte Pfarrer Nicolaus von Stadlau verschafft hatte. Aber nur den kleinsten Theil des deutschen beinahe 21 000 Verse enthaltenden Werkes nimmt die Wiedergabe dieses lateinischen Romans ein; der weitaus größere wurde von H. auf Grund [640] zahlreicher ihm bekannter Mährchen oder Motive der Artusgeschichten und der Erzählungen aus dem Kreise der heimischen Heldensage frei erfunden: in diesen Partien des Gedichtes stürzt sich Apollonius aus einem mährchenhaften Abenteuer in das andere. Als Grundlage der zweiten Dichtung, welche das Erlösungswerk vom Falle Lucifers an bis zum jüngsten Gerichte mit Einschluß des dem letzteren vorangehenden Auftretens des Antichrists behandelt, nennt H. selbst den Anticlaudianus des Alanus ab Insulis; daneben benutzte er jedoch auch desselben Verfassers Planctus naturae, ferner die Visio Philiberti, das Compendium theologicae veritatis, die Bibel, und verflocht eine Reihe von Motiven und Wendungen, die ihm aus der deutschen geistlichen Litteratur in Erinnerung geblieben waren. – Jedenfalls ist H. ein für seine Zeit recht gebildeter, auf sein Wissen aber auch nicht wenig stolzer Mann, der namentlich seine ärztlichen Kenntnisse mit Vorliebe zur Schau trägt. Sein Beruf hatte einerseits eine ziemliche Schärfe und Genauigkeit der Auffassung und ein besonderes Interesse an allem Detail zur Folge, andererseits bewirkte er, daß das vielseitige Wissen den Blick des Mannes nicht von den realen Verhältnissen abwandte, sondern daß er ein allen Eindrücken der Außenwelt offenes Auge bewahrte. Lebhaftes Naturgefühl zeichnet ihn aus. Daher bildet H. unter den zeitgenössischen Dichtern immerhin eine erfreuliche Erscheinung, wenn ihm auch nahezu alle Eigenschaften des wahren Dichters abgehen und sein formales Talent sehr gering erscheint.

Vgl. Heinrich von Neustadt, Apollonius. Von gotes zuokunft. Im Auszuge mit Einleitung, Anmerkungen und Glossar herausgegeben von Joseph Strobl. Dazu meine Recension im Anzeiger für deutsches Alterthum 1. S. 15 ff. und Slav. Archiv 2, 326 ff.