ADB:Kittel, Johann Christian

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Artikel „Kittel, Johann Christian“ von Philipp Spitta in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 45–46, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kittel,_Johann_Christian&oldid=- (Version vom 26. April 2024, 09:56 Uhr UTC)
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Kittel: Johann Christian K. ist den 18. Februar 1732 zu Erfurt geboren und erhielt hier vermuthlich auch seine erste Ausbildung. Ins Jünglingsalter getreten begab er sich nach Leipzig und wurde Schüler Sebastian Bach’s im Orgelspiel und in der Composition. Es ist anzunehmen, daß er bis zu Bach’s Tode (28. Juli 1750) in Leipzig geblieben ist. Dann wurde er Organist an der Bonifaciuskirche und Lehrer an der Mädchenschule zu Langensalza. Hier verheirathete er sich 1752 mit Dorothea Fröhmer. Der Schulmeisterberuf sagte dem jungen, seiner Kunst feurig ergebenen Manne nicht zu. Er soll auch während der Unterrichtsstunden componirt und für sich Noten geschrieben haben, so daß seine Behörden zuweilen hätten gegen ihn einschreiten müssen. 1756 ging er nach Erfurt zurück, wo er Organist an der Predigerkirche wurde. Hier lebte er in den bescheidensten äußeren Verhältnissen, und in den späteren Jahren nur durch eine kleine Pension des Fürst-Primas von Dalberg vor Noth geschützt. In der Nacht vom 17. zum 18. Mai 1809 ist er gestorben. Der größte Theil von Kittel’s Leben verlief ihm in stiller Erfüllung seines Berufs und im Ertheilen von Musikunterricht. Erst als er ins Greisenalter trat, drang sein Ruhm als Spieler, Componist und Lehrer in weitere Kreise. Seine größte Bedeutung lag in der Lehrbefähigung. In Bezug auf Orgelspiel und Orgelcomposition dürfte K. der ausgezeichnetste Lehrmeister gewesen sein, welchen Mitteldeutschland in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts besessen hat. Wennschon er in sehr jungen Jahren Bach’s Schüler war, so hatte sich seines Meisters Weise ihm doch unauslöschlich eingeprägt, und er hat sein Leben lang gearbeitet sie in sich weiter zu bilden und wiederum für die eigenen Schüler fruchtbar zu machen. Mit rührender Pietät ehrte er Bach’s Andenken. Er hatte, schon in hohen Jahren stehend, ein Oelbild desselben erhalten und sich über das Clavier gehängt. Ein Vorhang bedeckte es; hatte aber ein Schüler eine recht tüchtige Leistung zu Tage gefördert, so entfernte K. den Vorhang und zeigte als höchste Belohnung ihm des großen Mannes Antlitz. Daß die Bach’sche Tradition sich in Thüringen so lange gehalten hat, ist größtentheils Kittel’s Verdienst. Die besten thüringischen Orgelmeister der nach ihm folgenden Generation, als M. G. Fischer, Häßler, Umbreit, hat er gebildet, auch J. Ch. H. Rink, der freilich später mit Bewußtsein andere Wege einschlug. Wie lebendig in K. das Gefühl für die hohe Würde der Orgelkunst war, dafür liefert die Einleitung seines „Angehenden praktischen Organisten“ den schönsten Beweis. Das unter diesem Titel von ihm herausgegebene Werk (3 Theile, Erfurt 1801, 1803, 1808) ist eines der besten Lehrbücher des Orgelspiels, das die Bach’sche Methode auf Grund eigener reichster Lebenserfahrung zur Anwendung bringt. Kittel’s Orgelspiel war sehr gediegen, ohne sich gerade durch besondere Virtuosität auszuzeichnen. Ein Glanzpunkt seines Künstlerlebens war der 24. November 1798, wo er in seiner Kirche der verwittweten Königin von Preußen, dem Herzog von Weimar und dem Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt, die eigens um ihn zu hören gekommen waren, vorspielen durfte. Im J. 1800 unternahm der rüstige Greis noch eine erfolgreiche Kunstreise durch Nordwestdeutschland, die ihn auch nach Hamburg führte. Zur Ausarbeitung eines Choralbuches für die schleswig-holsteinischen Kirchen erhielt er auf dieser Reise die Veranlassung (Vierstimmige Choräle mit Vorspielen. Altona, Hammerich, 1803). Die sonst von K. veröffentlichten Musikwerke sind nicht sehr zahlreich. Fast sämmtlich fallen sie in seine späteren Lebensjahre. Unter ihnen sind bei weitem die bedeutendsten die „Großen Präludien für die Orgel“, welche, 16 an der Zahl, in zwei Heften bei C. F. Peters in Leipzig [46] erschienen. Werthvolle kürzere Orgelstücke finden sich auch in dem „Angehenden praktischen Organisten.“ Eine reichhaltige handschriftliche Sammlung Kittel’scher Orgelstücke besitzt der Schreiber dieser Zeilen. Auf den ersten Blick sieht man, daß K. seine Kunst auf Bach’scher Grundlage aufgebaut hat. Der reine Orgelstil Bach’s findet sich freilich nicht mehr überall; Elemente der damals modernen Clavierkunst Mozart’s mischen sich hier und da störend ein. Immerhin bleibt er auch als Componist eine der bedeutendsten Erscheinungen der Bach’schen Schule.

Gerber, Altes und Neues Lexicon. – Spitta, J. S. Bach, II, S. 727.– Forkel, Ueber J. S. Bach’s Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig 1802, S. 43 f.