ADB:Philipp von Seitz

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Artikel „Philipp, Karthäusermönch“ von Edward Schröder in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 71–72, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Philipp_von_Seitz&oldid=- (Version vom 5. Mai 2024, 20:40 Uhr UTC)
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Philipp, ein Karthäusermönch, schrieb zu Anfang des 14. Jahrhunderts ein gereimtes Marienleben von mehr als 10 000 Versen, das in etwa 30 Handschriften und Fragmenten auf uns gekommen ist. Das Reimwerk ist den Deutschordensherren gewidmet und nach der Überlieferung der besten vollständigen Handschrift, der Jenaer, in der Karthause zu Seitz in Steiermark verfaßt. Diese Nachricht anzuzweifeln haben wir um so weniger Grund, als der einzige Schreiber, der sie unentstellt bewahrt hat, ein Mitteldeutscher ist. Freilich stellen die Reime unwiderleglich fest, daß der Dichter ein Rheinländer war: sein Heimathsdialect ist der mittelfränkische, nicht aber der niederfränkische oder gar der niederländische, wie J. Haupt wollte. Aber daneben finden sich auch deutliche Spuren bairisch-österreichischer Lautgebung und der Wortschatz weist eine stattliche Anzahl von Ausdrücken auf, die bei keinem mitteldeutschen, am wenigsten bei einem niederrheinischen Autor zu belegen sind, zum Theil aber nur bei Dichtern des bajuvarischen Sprachgebiets wiederkehren.

Die Quelle des Werkes ist eine als ganzes bisher noch ungedruckte Vita B. Mariae et Salvatoris metrica aus dem 13. Jahrhundert, die in endlosen Aufzählungen von Wundern schwelgt, bald dürre Referate, bald langathmige und schwülstige Beschreibungen bietet und mit Vorliebe Streitfragen der Ueberlieferung und Auslegung erörtert, nicht ohne Beigabe gelehrter Randglossen. Sie ist eines der geschmacklosesten Erzeugnisse der mittellateinischen Poesie: gleichwol ward sie oft ab- und ausgeschrieben und hat außer unserm P. noch zwei deutsche Bearbeiter gefunden, die schweizerischen Dichter Walther von Rheinau zu Anfang und Wernher um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Bei P. ist das Verhalten gegenüber dieser Quelle durchaus lobenswerth: er hat eine verständige Auswahl getroffen, den gelehrten Ballast fast ganz bei Seite gelassen, obwol er auch die Glossen kennt, und macht sich selten zum Mitschuldigen einer groben Geschmacksverirrung. An seiner Behandlung des überlieferten und seinen eigenen, wenig umfangreichen Zusätzen ist ein gemüthvoller Zug nicht zu verkenen, aber es fehlt ihm jeder höhere Schwung, [72] und seine Sprache entbehrt völlig des lyrischen Tones, der andern Mariendichtungen ihren Reiz verleiht und zu dem der Gegenstand geradezu auffordert. Er erzählt trocken und kunstlos, ja oft ungeschickt, in holprigen Versen und in schlechten, überdies grobdialektischen Reimen; sein Werk gehört jener Gattung von Klosterpoesie an, die, von der Einwirkung der höfischen Kunst fast unberührt, während der Blüthezeit der mittelalterlichen Dichtung ein ziemlich dunkeles Dasein geführt hat und erst mit dem Verfall derselben wieder ans Licht tritt. Immerhin ist der große Erfolg von Philipps Gedicht schwer begreiflich in einer Zeit und bei einem Publicum, das im Passional z. Th. die gleichen Gegenstände mit einer Anmuth und Kunst behandelt fand, welche die besten Traditionen der höfischen Periode noch lebendig zeigt. Bruder P. scheint dies Werk, das gleichfalls den Kreisen der Deutschordensherren nahe steht, noch nicht gekannt zu haben. Die Beliebtheit und Verbreitung seines Marienlebens übertrifft noch die des Passionals, es hat mehrfache Erweiterungen erfahren – zu denen der Dichter selbst ausdrücklich aufforderte –, ist ins Niederdeutsche übertragen und in Prosa aufgelöst worden.

Ausgabe von H. Rückert: Bruder Philipps des Carthäusers Marienleben, Quedlinburg und Leipzig 1853 (verfehlte Umschrift in ein normalisirtes Oberdeutsch); in den Anmerkungen auch Proben der Quelle, von der Dr. Voegtlin eine Ausgabe vorbereitet; ich konnte Auszüge aus der Grazer Hs. von Dr. A. Hauffen benutzen. – Die Handschriften verzeichnet vollständiger als Rückert Goedeke, Mittelalter S. 129 f. und Grundriß 1 ², 228 f. – Jos. Haupt, Wiener Sitzungsberichte Bd. 68 (1871) S. 157–218 (über den Dialekt und über verschiedene Gruppen von Mischhandschriften).