ADB:Rudolf von Liebegg

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Artikel „Liebegg, Rudolf von“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 802–803, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rudolf_von_Liebegg&oldid=- (Version vom 27. April 2024, 02:03 Uhr UTC)
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Liebegg *): Rudolf v. L., lateinischer Dichter zu Anfang des 14. Jahrhunderts, stammte wahrscheinlich aus einem in der Grafschaft Willisau (Kanton Luzern) ansässigen adelichen Geschlechte, von dessen gleichnamiger Burg noch jetzt Ruinen übrig sind. Ueber die Zeit seiner Geburt ist nichts bekannt. Wie es scheint, war er Pfarrer zu Inwyl an der Reuß, bevor er wegen seiner nicht gewöhnlichen gelehrten Kenntnisse als Chorherr und Scholasticus in das Stift Beromünster berufen wurde. Als solcher erscheint er urkundlich vom Jahre 1305 an, und zwar theils als Zeuge theils als Schiedsrichter bei Streitigkeiten. 1309 ist er zugleich auch Cantor des Mauritiusstiftes in Zofingen, 1324 Propst zu Bischofzell im Thurgau und 1327 Domherr zu Konstanz, so daß er also gleichzeitig an verschiedenen Orten Pfründen bekleidete, ein Mißbrauch, wie ihn die Kirche damals nicht selten gestattete, um verdienten Geistlichen zu einer Vermehrung ihres Einkommens zu verhelfen. Sein Tod erfolgte nach dem Jahrzeitbuche von Beromünster am 16. Juli 1332. – Als Dichter war L. früher nur durch seine Verse auf den Tod König Albrechts I. (1. Mai 1308) bekannt. In einer Pergamenthandschrift des ehemaligen Benedictinerklosters Muri im Aargau erhalten und später mehrfach veröffentlicht (s. u.), scheinen sie unter dem ersten Eindrucke der furchtbaren That entstanden zu sein, da des Verfassers innere Erregung in seinem Gedichte lebhaft zu Tage tritt. Dabei fällt das Gesuchte und Gekünstelte in der Versbildung um so mehr auf; denn die 36 leoninischen Hexameter, aus denen das Gedicht besteht, sind nicht nur meist durch Binnen- und Schlußreime verbunden, sondern auch mit allitterirenden Anklängen und Wortspielen durchsetzt, wobei es auch nicht an Härten fehlt und oft an Wohllaut mangelt. Was den Inhalt betrifft, so fordert der Dichter Deutschland (Alemannia) zur Klage um den gemordeten König auf, dessen Ruhm er bei dieser Gelegenheit feiert. Ganz besonders aber soll der Aargau trauern, welcher, „einst ein Jerusalem, nun mit Recht ein Babylon genannt werden muß“. Nachdem er dann Ort und Zeit der That berührt hat, scheint der Verfasser ursprünglich mit dem vorletzten Verspaare geschlossen zu haben: „In Wettingen ruht er jetzt im Grabe; möge er durch dich, Wettingen, Ruhe finden!“ – denn die noch folgenden zwei Verse enthalten nur noch eine trockene chronistische Bemerkung: „Später wurde er in Speier bei seinem Vater Rudolf begraben, vereint mit Adolf, den er besiegte“, und schließen sich weder logisch an das Vorhergehende an noch gewähren sie einen metrisch befriedigenden Abschluß, da sie des Endreims [803] ermangeln, mit welchem dagegen das vorletzte Verspaar ausgestattet ist. Sie sind also wohl als ein Zusatz zu betrachten, den der Verfasser später nach der Beisetzung Albrechts im Speierer Dome (Ende August 1309) seinem Gedichte noch angefügt hat. – Umfangreicher und gelenker in der Versbildung ist das von L. verfaßte und zuerst durch P. Gall Morell (s. u.) bekannter gewordene Pastorale novellum, das in 5 Büchern und in 8748 Hexametern über die sieben Sacramente der römischen Kirche und einiges damit Verwandte handelt. L. verfaßte dasselbe „auf Ersuchen seiner Genossen“ und wollte damit jungen Klerikern ein dem Gedächtnisse leicht einzuprägendes Compendium des kanonischen Rechtes und einiger anderer theologischer Fächer liefern. Bezüglich der metritrischen Form erhebt sich dieses Gedicht über dasjenige auf Albrechts Tod und zeigt auch Bekanntschaft mit römischen Dichtern, wie Virgil, Horaz und Juvenal, aus denen theils einzelne Wendungen, theils ganze Verse entlehnt sind. Ein nicht ohne Schwung gehaltenes Gebet an Gott, den Erlöser und den heiligen Geist schließt das Pastorale, auf welches der Verfasser, wie er selbst sagt, „eine zwölfjährige Arbeit“ verwendet hatte. Am besten überliefert ist das Gedicht in einer gleichzeitigen Engelberger Pergamenthandschrift aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts. – Endlich rühren von L. noch eine Anzahl Gedächtnißverse in lateinischen Hexametern her, welche J. E. Kopp in dem sogenannten Liber crinitus, dem nach seinem Umschlage benannten ältesten Copialbuche der Urkunden des Stiftes Beromünster, zuerst aufgefunden hat. Dieselben geben eine Anweisung über gewisse Speisen und Getränke (den sog. panis cameralis), die an bestimmten Festtagen den Chorherren gereicht werden sollen.

P. Gall Morell, Rudolph von Liebegg – im Geschichtsfreund. Mittheilungen des histor. Vereins der fünf Orte. XXI. Bd., Einsiedeln 1866. S. 122–143. – Derselbe im Anzeiger für Schweizerische Geschichte und Alterthumskunde. 7. Jahrg. 1861. Zürich. Nr. 4. S. 62–63. – Vgl. auch (B. F. A. D. de Zur-Lauben) Tableaux de la Suisse. 2. éd. Tome VII. Paris 1784. 4°. S. 309. – Egb. Fr. v. Mülinen, Prodromus einer schweizerischen Historiographie, Bern 1874. S. 51. – Die Verse auf König Albrechts Tod sind abgedruckt in Dominicus Tschudi’s Origo et Genealogia gloriosissimorum Comitum de Habsburg, Constantiae 1651. p. 124–125; Editio II. Muri 1702. p. 137–139 und bei J. E. Kopp, Urkunden zur Geschichte der eidgenössischen Bünde (1. Bd.), Luzern 1835. S. 79–80.

[802] *) Zu Bd. XVIII, S. 562. Der Verf. ward leider durch Krankheit an rechtzeitiger Sendung verhindert.