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ADB:Schulz, Otto

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Artikel „Schulz, Otto“ von Fritz Jonas in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 749–751, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schulz,_Otto&oldid=- (Version vom 30. Dezember 2024, 16:01 Uhr UTC)
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Schulz: Johann Otto Leopold S., geboren am 17. October 1782, † am 17. October 1849. Sein Vater war Prediger zu Wurow bei Labes in Pommern; ihm brachte seine Stelle nur ein Einkommen von 400 Thalern, dennoch haben von seinen fünfzehn Kindern acht Söhne studirt. Der Vater unterrichtete die Kinder selbst soweit, daß z. B. Otto, als er 1797 auf das Gymnasium zu Alt-Stettin gebracht wurde, gleich in die Prima gesetzt werden konnte. Nach zwei und einem halben Jahre bezog er die Universität Halle, um Theologie und Philologie zu studiren. Besonderen Einfluß übten auf ihn die Vorlesungen Friedrich August Wolf’s aus, dessen philologisches Seminar er auch besuchte. Auf dem Fechtboden wurde ihm durch einen unglücklichen Stoß eines Kameraden [750] das linke Auge ausgestoßen. Nach wiederum zwei und einem halben Jahre verließ er die Universität und nahm eine Hauslehrerstelle im Hause des Barons v. d. Golz auf Züzer bei Callies in Pommern an, wo er Gelegenheit fand, seine Bildung zu erweitern und zu vertiefen und auch die Formen des feinen gesellschaftlichen Verkehrs sich anzueignen. Erst nach drei Jahren absolvirte er die Prüfung pro facultate und übernahm eine Lehrerstelle am Gymnasium in Stargard. Aber auf Wunsch der v. d. Golz’schen Familie kehrte er nach weniger als zwei Jahren noch einmal in seine frühere Privatstellung zurück und blieb dort bis zu seiner Uebersiedlung nach Berlin, wo er, nachdem er neun Monate Mitglied des Königl. Seminars für gelehrte Schulen gewesen, zu Neujahr 1812 als Collaborator an dem vereinigten Berlinisch-Köllnischen Gymnasium angestellt wurde. 15 Jahre hindurch, bis zum Jahre 1826, blieb er so ununterbrochen an dem Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster thätig und unterrichtete nach und neben einander in fast allen Unterrichtsfächern, namentlich im Lateinischen, Hebräischen und in der Mathematik. Um sorgenfrei leben zu können, mußte er nach seiner 1814 erfolgten Verheirathung mit Caroline Essen, einer Apothekerstochter aus Dramburg in Pommern, noch Privatstunden geben und Pensionäre ins Haus nehmen. Trotzdem blieb ihm Zeit übrig, auch noch die theologische Prüfung zu bestehen und eine Reihe wissenschaftlicher Abhandlungen und mehrere Schulbücher zu verfassen, unter denen seine lateinische Grammatik weite Verbreitung gefunden hat.

Im J. 1826 wurde S. in die Stellung eines Königl. Provinzialschulrathes und Mitglieds des Schulcollegiums der Provinz Brandenburg berufen, zu welchem Amte er wegen seiner vielseitigen wissenschaftlichen Kenntnisse und seiner pädagogischen Begabung besonders geeignet erschien. Mit großem Eifer und redlichem Willen hat S., wie auch seine Gegner anerkannten, sein Amt verwaltet und vielfach auch auf allen Gebieten der Schule anregend und fördernd eingewirkt. Auch gerade auf dem ihm neuen Gebiet des Volksschulwesens hat er im Amte und in der seit 1835 wieder aufgenommenen schriftstellerischen Thätigkeit eine bedeutende Wirksamkeit geübt. Seine Zeitschriften („der Schulfreund“ und das „Schulblatt für die Provinz Brandenburg“) und seine Schulbücher (die „Handfibel“, das „Berlinische Lesebuch“, das „Tirocinium“, das „Biblische Lesebuch“, die „Deutsche Sprachlehre“ u. a. m.) zeugen nicht minder von seinem Eifer, als von seinem pädagogischen Geschick und seiner großen Begabung zu klarer und schöner Darstellung. Auch in seinen polemischen Aufsätzen zeigt sich überall Tiefe des Wissens, Klarheit des Urtheils und die Ruhe und Besonnenheit einer edlen Natur. Aber eine der Hauptaufgaben der damaligen Verwaltungsbehörden war, die Ausbildung der Volksschullehrer in den Seminaren und die Hebung des Schullehrerstandes in geistiger und leiblicher Hinsicht. Und diese schwierige Aufgabe konnte S. nach seiner ganzen Anschauungsweise nicht glücklich lösen. Er, wie die damalige Regierung überhaupt, verkannte die Forderungen des rasch aufstrebenden Bildungsbedürfnisses und der erwachenden Selbständigkeit des Volkes und auch des Lehrerstandes, und in dem Streben, sich nicht zum Ueberhasten verleiten zu lassen, setzte er auch gesunden Bestrebungen Hemmnisse und einen gewissen passiven Widerstand entgegen. In einem langen, unerquicklichen Streit mit dem Seminardirector Adolf Diesterweg, der freilich ein unbequemer Untergebener war und in seinem hastigen Drängen und seiner agitatorisch-polemischen Schriftstellerei die Grenzen des zur Zeit Erreichbaren mehrfach übersprang, trug zwar scheinbar S. den Sieg davon, da Diesterweg 1847 seines Amtes enthoben wurde, und schon vorher dem Schulrath das ihm zeitweise abgenommene Decernat über das Berliner Seminar wiederum übertragen worden war; aber die weitere Entwickelung des Volksschulwesens hat [751] außer Zweifel gestellt, daß Diesterweg’s Bestrebungen zur Hebung der Lehrerbildung berechtigt waren. Wenn S. meinte: „das Seminar gestalte sich zu einer Universität für Volksschullehrer, der Seminarlehrer werde zum bloßen Docenten, und in den Seminaristen bilde sich immer mehr die Studentenansicht und der Studententon aus“, so kann man heut wohl diese Furcht als unnöthig bezeichnen und eher einer etwas freieren Bildung auf den Seminaren das Wort reden, die immer noch zu sehr das Gedächtniß ihrer Zöglinge auf Kosten der freien Verstandesbildung in Anspruch nehmen und gerade dadurch einer gewissen Ueberhebung leicht Vorschub leisten. S. betrieb ferner eine möglichst enge Verbindung der Schule mit der Kirche; Diesterweg suchte umgekehrt die Schule aus der unmittelbaren Abhängigkeit von den Geistlichen zu befreien. Beider Männer Ansichten sind nach ihrem Tode die Grundlage bedeutsamer Regierungserlasse geworden. Schulz’s begeisterter Biograph, sein Schwiegersohn Richter, hebt ausdrücklich hervor, daß die Regulative von 1854 augenscheinlich die pädagogischen Grundsätze und Lehren seines Schwiegervaters vor Augen oder im Gedächtniß gehabt haben, und wie dies zutrifft, so kann man auch sagen, daß die allgemeinen Bestimmungen vom October 1872 auf Diesterweg’s Grundsätze und Lehren zurückgehen.

Schulz’s Persönlichkeit war gewinnend. Er hatte feste und bestimmte Ansichten, aber sein ganzes Wesen war mild und freundlich; auch dem Gegner gegenüber war er gerecht und billig, und nie verlor er die seiner amtlichen Stellung gemäße Besonnenheit und Würde. Seine sehr vielseitigen Kenntnisse und Einsichten, sein lebhaftes Interesse für seine amtlichen Aufgaben und seine Gerechtigkeitsliebe hob selbst Diesterweg anerkennend hervor. Dazu kam als angenehme Würze im Verkehr mit den Freunden sein heitrer Sinn und Humor und seine Gewandtheit, gehaltvolle Gelegenheitsgedichte in deutscher und lateinischer Sprache zu dichten. Allgemein gewürdigt ist auch seine Begabung für volksthümliche Darstellung. Die von ihm geschriebenen Lesestücke sind zum großen Theil aus seinen Lesebüchern in viele andere Lesebücher übergegangen, wie denn noch heut seine Schulbücher, in neueren Bearbeitungen, vielfach im Gebrauche sind. Auch seine treffliche, zur hundertjährigen Feier der Thronbesteigung Friedrich’s des Großen verfaßte Festschrift, welche die Stadt Berlin an die Schüler vertheilen ließ, ist 1886 zum Gebrauch in Fortbildungsschulen aufs neue herausgegeben worden.

Nachdem S. noch mit großem Schmerz und ernster Besorgniß gerade auch für die Zukunft der Lehrer und der Schule die Wirren des Jahres 1848 durchlebt hatte, steigerte sich bald eine Krankheit, die ihn schon in den letzten Jahren mehrmals zum Besuche des Karlsbades veranlaßt hatte und welcher er nach qualvollen Leiden an seinem Geburtstage im J. 1849 erlag.

Otto Schulz. Ein Denkmal für seine Nachkommen und seine Freunde von Julius Richter. Berlin 1855. (Hier findet man auch ein Verzeichniß aller seiner Schriften). – Diesterweg, Wie es mir erging oder Geschichte meines amtlichen Schiffbruchs. Jahrbuch für Lehrer 1851, S. 42 ff. – Pädagogische Abhandlungen von Otto Schulz herausgegeben von J. Richter. Berlin 1867.