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ADB:Stettler, Michael

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Artikel „Stettler, Michael“ von Gustav Tobler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 133–135, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stettler,_Michael&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 16:45 Uhr UTC)
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Stettler: Michael St., geboren 1580, entstammt einer stadtbernischen Familie. Er studirte, um sich dem Staatsdienste widmen zu können, das Notariat in der welschen Schweiz und bekleidete nach seiner Beeidigung eine Reihe von [134] Aemtern. 1605 wurde er Chorgerichtsschreiber, 1606 Mitglied des großen Rathes, 1610 Deutsch-Seckelschreiber; von 1616–22 verwaltete er die Landvogtei Oron, von 1627–29 diejenige von St. Johannsen. Seit dem letztgenannten Jahre versah er die Stelle eines Obercommissars wälscher Lande und starb 1642. Nie in seinem Leben ist St. aus dem Kreise der Verwaltungsthätigkeit herausgetreten; er war einer der Stillen, aber er entfaltete in seiner Zurückgezogenheit eine ungemein fleißige und wirkungsvolle Gelehrtenthätigteit. – Zuerst trat er als Dichter hervor; er erweist sich hierbei als phantasieloser Reimer ohne gestaltende Kraft. Auch die beiden ungedruckten Dramen „Tragicomödie vom Ursprung der Eidgenossenschaft“ und „Comödie von der Erbauung der Stadt Bern“ sind nur in Verse und Dialoge umgesetzte Geschichte, mithin poetisch werthlos. Stettler’s eigentliches Verdienst liegt auf dem Gebiete der Geschichtschreibung. Die Kenntniß der Geschichte des engern und weitern Vaterlandes hatte er sich durch das Abschreiben der ihm zugänglichen Chroniken von Justinger, Fründ, Schilling und Anshelm erworben. Mit dem J. 1609 beginnt seine eigene historiographische Thätigkeit. Der Rath wünschte eine Fortsetzung der bernischen Stadtgeschichte, die Valerius Anshelm bis zum Jahre 1526 geführt hatte. Zwischen 1610–16 schrieb St. das vierbändige „Verzeichnuß oder Zythregister der loplichen Stadt Bern Geschichten“, welches die Jahre 1527 bis 1616 umfaßt. Als Landvogt von Oron arbeitete er das Werk um und überreichte es 7 Jahre später in 10 Prachtbänden dem Rathe der Stadt. Diese „Berner Chronik“ behandelt die Jahre 1526–1610 und hat namentlich über die Reformationszeit durch die Benutzung der von Anshelm unvollendet hinterlassenen Manuscripte eine werthvolle Bereicherung erfahren. Darauf schrieb St. ein vierbändiges „Zeitregister“ über die Jahre 1191–1477. Alle diese Werke sind Inedita geblieben.

Im December 1624 erhielt St. den neuen amtlichen Auftrag die Geschichte Berns für den Druck auszuarbeiten. Zwei große Foliobände gingen schon im J. 1626 aus der Presse hervor. Der erste trägt den Titel: „Grundliche Beschreibung Uechtländischer Geschichten“, der zweite „Chronicon oder grundliche Beschreibung“ etc. Den Titel des ersten Bandes ersetzte er im folgenden Jahre durch „Annales“ und im J. 1631 ergänzte er das Werk durch den Nachtrag der Jahre 1627–30 und gab demselben den Gesammttitel: „Schweitzer-Chronic“.

St. ist der bedeutendste Geschichtsschreiber Berns im 17. Jahrhundert. Sein Vorbild war Anshelm, und zwar so sehr, daß er sich auch in der Form an ihn anschließt; die Methode ist natürlich die annalistische, den Stoff gruppirt er in das Schema ein: Religionssachen – Politische Sachen (Ausland) – Civilische Sachen (Inland) – Stadtsatzungen. Durch dies Zerreißen innerlich zusammengehörender Dinge wird die Erzählung trocken und oft recht langweilig. Zudem ist nicht zu vergessen, daß St. amtlicher Historiograph war; er besaß nicht die volle Unabhängigkeit der Regierung gegenüber, die beispielsweise eine Censurbehörde mit der Ueberwachung des Drucks des großen Geschichtswerkes betraute. Für die Geschichte seiner eigenen Zeit darf St. noch heute als Quelle benutzt werden und auch die Darstellung der frühern Zeiten in seinen handschriftlichen Arbeiten besitzt wegen der reichen Ausnutzung des bernischen Archivmateriales noch heute Werth. Stettler’s Werke sind (mit Ausnahme der Copien): „Gereimtes Tagebuch einer Reise vom April 1599 bis 1. Februar 1600.“ Mscr. „Kurzes poetisches Gedicht einer Hochl. Eydsgenoßschaft zu Ehren gestellt.“ Bern 1602. (Ist nicht zu finden.) „Ein New Lied und Frolockung über die Pündtnuß, so dises Jahr zwischen den Dreyen Pünndten Rhetier Landts und der Statt Bern auffgerichtet worden.“ 1602. (Kgl. Bibl. Berlin.) „Tragecomedy vom Ursprung der Eidgenossenschaft.“ 1605. Mscr. (Stadtbibl. Bern.) „Ein [135] kurz newes Hochzeitspiell auff des edlen, vesten Albrechts Manuel’s etc. Hochzeit.“ Bern 1606. (Stadtbibl. Hamburg.) „Comedy von Erbauung der Stadt Bern 1609.“ Mscr. (Stadtbibl. Bern.) „Zeitregister der Stadt Bern von 1527 bis 1616.“ Mscr. 4 Bde. „Berner Chronik in 10 Bänden von 1526–1610.“ Mscr. „Zeitregister von 1191–1477.“ Mscr. 4 Bde. Gedruckte Chronik.

Sammlung Bernischer Biographien II, 49–58; Anzeiger für schweiz. Geschichte, Jahrg. 1888, S. 199–207. Diese beiden Artikel sind zusammengefaßt in G. Tobler, Die Chronisten und Geschichtschreiber des alten Bern S. 57–65 (Festschrift zur VII. Säcularfeier der Stadt Bern). – Bächtold, Geschichte der deutschen Litteratur in der Schweiz S. 394; Anm. S. 116 bis 119 und 311.