ADB:Vetter, Daniel

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Artikel „Vetter, Daniel“ von Max Seiffert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 663, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Vetter,_Daniel&oldid=- (Version vom 30. April 2024, 20:47 Uhr UTC)
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Vetter: Daniel V. gehört den Umrissen nach, die uns die wenigen bekannten biographischen Daten von seiner künstlerischen Persönlichkeit erkennen lassen, einem Kreise an, wo sich ein Ausgleich zwischen den divergirenden Bestrebungen von Nord und Süd bereits anbahnte. Daniel V. stammte aus Breslau, sein Geburtsjahr ist nicht näher bekannt. Seine künstlerische Erziehung erhielt er durch Werner Fabricius, der, ein Schüler H. Scheidemann’s und H. Schütz’, mit Männern wie Reincken, Tunder, D. Strunck u. A. jene Uebergangsperiode kennzeichnet. Fabricius starb am 9. Jan. 1679 als Organist an St. Nicolai in Leipzig; Daniel V. folgte ihm am 11. Aug. im Amte und wirkte darin bis zum eigenen Tode 1721, nachdem noch 1710–1716 unter seiner Aufsicht die neue Pauliner-Orgel, die später von Seb. Bach revidirt wurde, durch den Orgelbauer Scheibe erbaut war. Ob er zu Nic. V. in irgend einem Grade der Verwandtschaft gestanden hat, weiß man nicht; künstlerisch gehört er jedenfalls einer anderen Richtung an. Das einzige von ihm bekannte Werk ist dies: „Musicalische Kirch- und Hauß-Ergötzlichkeit, bestehend in denen gewöhnlichen geistlichen Liedern, so durchs gantze Jahr bey öffentlichen Gottes-Dienst gesungen werden, auff eine gantz angenehme, jedoch leichte Manier in Italiänische Tabulatur gesetzt, so, daß allemahl der Choral eines jedweden Liedes auff der Orgel, nachgehends eine gebrochene Variation auf dem Spinett oder Clavichordio zu tractiren folget“. Der erste Theil erschien 1709 in Leipzig (2. Aufl. Dresden 1716), der zweite 1713 im Selbstverlage; Vetter’s Bild schmückt die Ausgabe. Die „gebrochenen Variationen“ sind nicht besser oder schlechter, als die zahlreichen ähnlichen Stücke der Süddeutschen. Außerhalb des Kreises der Musikforscher dürften sie heute kaum noch viel Interesse erhoffen. Um so mehr aber verdient der Choralsatz für die Orgel aufmerksame Betrachtung. Wer nicht mit geschichtlich geschultem Blick die Abwege erkennen kann, auf die unser moderner Choralsatz gerathen ist (durch einseitiges Festhalten am „Palestrinastil“, durch Verkennung der liturgischen Bedeutung der Orgel), der kann sich hier musikalisch davon überzeugen, um wie viel würdiger, eindringender und künstlerischer unsere alten, deutschen Orgelmeister den Choral in der Kirche handhabten. Er mag dann noch zum Vergleiche S. Scheidt’s Tabulaturbuch von 1650 heranziehen. Die Betrachtung beider Bücher wird ihn lehren, daß die modernen Reformbestrebungen mit Unrecht das Hauptgewicht auf die Uniformirung des Choralgesanges und der Choralbegleitung legen. Geschichtlich wichtig sind in dem Werke Vetter’s noch die Einleitungsbemerkungen über die angewandten Verzierungen. Dazu noch dies. V. hatte auf Wunsch seines Freundes Wilisius, der Cantor an St. Bernhardi in Breslau war, zu dessen Begräbnißfeier 1695 die arienhafte Weise des Liedes „Liebster Gott, wann werd’ ich sterben“ componirt. Die Melodie wurde in weiteren Kreisen bekannt, aber mannichfach entstellt. Um seinen Willen zu documentiren, theilte sie V. im 2. Theil nochmals mit.

Vgl. Spitta, J. S. Bach, II, S. 263 f. – S. Kümmerle, Encyklopädie der ev. Kirchenmusik, Art. D. Vetter.