Adolf Wilbrandts „Neue Gedichte“

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Adolf Wilbrandts „Neue Gedichte“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 290–291
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[290] Adolf Wilbrandts „Neue Gedichte“, die soeben im Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung Nachfolger zu Stuttgart erschienen sind, werden überall willkommen geheißen werden; denn unter den Charakterköpfen des neuen deutschen Parnasses nimmt derjenige Wilbrandts durch seinen geistvollen Ausdruck und seinen idealen Schwung einen hervorragenden Rang ein. Wilbrandt ist jeder Zoll ein Dichter, wenn ihm auch das eigentliche stimmungsvolle Lied ferner liegt; aber eine tiefe, in breiterem Strom einherfluthende Empfindung ist ihm eigen, ebenso sinnige Lebensanschauung, Gedankenreichthum und hinreißender Schwung. Den größeren Gedichten, in denen diese Hochfluth der Gedanken hin- und herwogt, möchten wir den Vorzug geben vor den mehr liederartigen, obschon sich auch unter diesen einzelne von sehr glücklichem Wurf befinden. So ist reizend das Gedicht: „Winterfrühling“.

„Der Winter warf den Pelz beiseit’,
Der Schnee aus seinen Locken schwand;
Er schreitet in des Frühlings Kleid
Schalmeiend durch das Land.

Es dehnt der Wald sich, träumerisch,
Verwundert lauschen Busch und Baum;
Der Vogel pfeift, der stumme Fisch
Träumt seinen Frühlingstraum.

Märzveilchen steigt aus dem Wiegengrab; –
Und du, mein Herz! was rührt dich an?
Was hebst du deinen Wanderstab?
Was strebst du himmelan?

Ein leiser Wind im letzten Laub,
Ein süßer Ton vom ersten Lied; –
Ist’s Blüthenschnee, ist’s Blumenstaub,
Was durch die Lüfte zieht?

Der alte Winter lacht von fern.
‚Kein Blüthenschnee! Doch ja, es schneit.
Begrubt ihr schon den alten Herrn?
Noch sind wir nicht so weit!‘“

Auch unter den kleinen Sprüchen finden sich einzelne recht artige und sinnvolle:

     „Die Freude.
Tod, Alter, Sorge wollen nicht
Gebeten sein.

Die Freude harrt, im Schleier dicht,
Auf dein ‚Herein!‘“


     „Resignation.
Du hast ‚gelebt, gestrebt, geliebt‘ –
Das heißt: du hast des Daseins Fluth durchschwommen,
Hast festen Muths im Schwimmen dich geübt,
Ans Ufer bist du nie gekommen.“

[291] Doch ruht der Hauptnachdruck in der Sammlung auf den größeren Gedankensymphonien, von denen einige an die Ode erinnern, „Lebenswille“, „Die Lerche“, „Wodan“ und andere. Das eigene Erlebniß spielt eine große Rolle in der Sammlung, in der es an Bekenntnissen nicht fehlt; farbenreich aufgefrischte Jugenderinnerungen, vor allem die Klage am Sarge und Grabe eines Kindes in dem Abschnitt „Tod und Trost“, der von tief ergreifender Empfindung durchweht ist. Auch Adolf Wilbrandt, der Direktor des Burgtheaters, kommt zu Worte, nicht bloß in dem schönen Epilog, in welchem er das alte Burgtheater und seine herrlichen Leistungen rühmt, nicht bloß in den warmen und begeisterten Weiheliedern, die er den hervorragenden Künstlern dieser Bühne widmet, sondern auch in den „Nachgedanken des gewesenen Direktors“, die sich durch Schlagkraft und Schärfe auszeichnen. Der „Thurm von Nervi“ ist eine Novelle in Versen mit glänzendem italienischen Kolorit. Der Dichter richtet sich nach keinem Tagesgeschmack, er folgt nur dem Gebot innerer Begeisterung; doch was ihm die Muse eingiebt, wird allen empfänglichen Gemüthern willkommen sein.†