Asthma (Die Gartenlaube 1893/46)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Enoch Heinrich Kisch
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Asthma
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 776–779
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[776]

Asthma.

Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch.

Mehr noch als Speise und Trank ist die Luft uns unentbehrliches Lebensbedürfniß, und schlimmer als jeglicher andere Hunger wird der Lufthunger von uns empfunden. Bekanntlich ist es Aufgabe der Lungen, die atmosphärische sauerstoffreiche und kohlensäurearme Luft dem Organismus zuzuführen und durch den Vorgang der Athmung zu bewirken, daß das Blut mit dem ihm nothwendigen Sauerstoff gesättigt wird. Wenn aus irgend welchem Grunde die Lungen in ihrer Arbeit gehindert sind, so giebt sich eine Reihe von bedrohlichen Beschwerden kund, welche durch den Luftmangel verursacht sind. Solcher Lufthunger bildet auch das Charakteristische jener Anfälle von Athemnoth, welche, plötzlich und unerwartet auftretend, sich zu qualvoller Höhe steigern, nach kürzerer oder längerer Dauer plötzlich wieder verschwinden und eine ernste, zuweilen sogar das Leben bedrohende Erkrankung darstellen – das Asthma.

Wer zum ersten Male einen Asthmaanfall mit ansehen hat, dem haftet das Bild des Jammers noch lange in der Erinnerung, und wer selbst das Unglück hatte, den verzweifelten Kampf um Luft zu ringen, der vergißt diese Stunden gewiß sein Lebelang nimmer. Da wird eine Mutter des Nachts aus dem Schlafe geweckt, ihr Kind sei plötzlich aufgewacht und schwer krank. Sie eilt blitzschnell an das Bettchen. Es sitzt schon aufrecht, das arme, etwa fünf Jahre alte, blondlockige Mädchen. Aber wie verändert sind seine Gesichtszüge! Die höchste Angst malt sich in dem verzerrten Antlitz, seine Farbe ist blaß, die Stirn mit kaltem Schweiße bedeckt, aus den starr aufgerissenen Augen perlen schwere Thränen, die Lippen sind bläulich gefärbt und stöhnende Schmerzensrufe entringen sich ihnen, während die Nasenflügel heftig spielen. Das Halstuch hat das Kindchen abgerissen, und wie es mit zurückgebogenem Kopfe dasitzt, die kleinen Arme auf den Bettrand aufgestützt, sieht man unter dem Nachtkleidchen die Brustmuskeln heftig arbeiten, den Bauch stark eingezogen und hört schon von [778] weitem ein Zischen, Pfeifen und Schnurren, das die gestörte Athmung in den Lungen bekundet. Unwillkürlich holt die Mutter selbst tief Athem. Wie gerne möchte sie auch dem Kinde dazu helfen, daß die Luft in dem kleinen Brustkasten weiter vorwärts dringe – doch nein, über eine bestimmte Stelle kommt sie nicht hinaus! Die Qual des kleinen Wesens dauert noch eine Viertelstunde, vielleicht noch länger – für die angstvoll Harrende eine Ewigkeit – bis endlich, nachdem wohl unterdessen auch der Arzt gekommen ist und die nöthigen Hilfsmaßregeln eingeleitet hat, die stürmischen Erscheinungen nachlassen, die Luft plötzlich wieder mit Macht in die Luftröhrchen und Lungenbläschen eintritt und das Kind gerettet ist. Die Schrecken dieser Nacht wird eine Mutter wohl nicht so bald vergessen; wenn sie nur nicht über kurz oder lang wiederkehren!

Ein anderes Bild, nach der Natur gezeichnet! Ein Mann, auf der Höhe des Lebens, scheinbar strotzend von Gesundheit, nur in den letzten Jahren etwas zu fettleibig geworden, merkt, daß ihm das schnelle Gehen sauer wird, daß er beim Treppensteigen leicht außer Athem kommt und beim Bücken rasch die Luft verliert. Das hat ja keine große Bedeutung, darum wird doch in gewohnter Weise wohlgelebt. Nun aber eines Nachts, der Morgen graut bereits, da bricht das Unglück herein. Urplötzlich erwacht der Mann aus dem Schlafe mit dem Empfinden starker Beklemmung auf der Brust, mit großer Athemnoth und unsäglichem Angstgefühl. Luft, Luft! Im Bette kann er es nicht aushalten. Nach Luft schnappend, setzt er sich auf einen Stuhl und sucht, die Arme aufgestützt, mit aller Macht eine leichtere Athmung zu gewinnen. Vergeblich! Das Einathmen erfolgt rasch, der Brustkasten wird gewaltsam in die Höhe gezogen, aber das Ausathmen dauert lange und ist mühevoll, die Bauchmuskeln ziehen sich stark zusammen, das Pfeifen und Rasseln auf der Brust ist weithin vernehmbar. Noch hat der Gequälte die Kraft, ans Fenster zu stürzen, er reißt es auf, die Außenluft dringt frisch und kräftig ins Zimmer, aber leider nicht so in die Lungen, die ihrer bedürfen. Das Gesicht ist unterdessen blauroth geworden, der Körper kalt, mit Schweiß bedeckt, das Herz pocht in rasch aufeinanderfolgenden Schlägen, der Puls ist sehr beschleunigt und schwach. Dieser traurige Zustand dauert lange bange Stunden, bis, im glücklichen Falle, Besserung eintritt, zäher schleimartiger Auswurf entleert wird und die Luftzellen wieder ihre normale Thätigkeit aufnehmen. Eine große Gefahr ist für jetzt über Dein Haupt hinweggezogen, Du gebrochener Mann, der Du mit einem Schlage erfahren hast, welch schwächliches Ding Dein scheinbar riesiger Körper ist. Aber ich muß Dir meine aus vielfältiger Erfahrung geschöpfte Warnung zurufen: „Dieser glücklich überwundene Asthmaanfall wird nicht Dein letzter sein!“

Mit diesen zwei flüchtig angedeuteten Fällen haben wir auch die Erscheinungsweisen von zwei Hauptgruppen des Asthmas vorgeführt, des bronchialen und des cardialen Asthmas. Bei dem ersteren gehen die plötzlichen Anfälle der Athemnoth von den Lungen und den kleinen Verzweigungen der Luftröhre aus, während bei dem cardialen Asthma der Anlaß durch Erkrankung des Herzens oder der arteriellen Blutgefäße gegeben ist. Als Ursache des Bronchialasthmas wird ein plötzlicher Krampf der feinen Luftröhrenzweigchen angenommen oder eine plötzliche Verstopfung ihrer Lichtungen infolge von Schwellung der Schleimhaut und Ansammlung eines besonders zähe beschaffenen Schleimes, Hindernisse, welche den Zutritt der Luft zu den Lungenbläschen sowie den Luftaustritt aus denselben erschweren und dadurch all die beängstigenden Qualen verursachen, welche wir oben geschildert haben. Den unmittelbaren Anlaß zur Auslösung der stürmischen Erscheinungen des Bronchialasthmas giebt bei den dazu veranlagten Personen zumeist ein heftiger Reiz, welcher die Schleimhäute der Athmungsorgane trifft. Als solche Reize sind anzuführen Einflüsse wechselnder Temperatur, feuchtkalten Wetters, welche Erkältungen zu veranlassen geeignet sind, Verunreinigungen der eingeathmeten Luft durch staubartige fremde Körper wie Metall, Holz, Kohle, auch Blütenstaub; Ueberanstrengung der Athmungsorgane durch lautes anhaltendes Sprechen, Singen, Schreien oder Uebermüdung der Lungen durch ungewöhnlich starke Fußtouren. Zuweilen sind es Allgemeinerkrankungen, welche in dem Körper eine Neigung für Bronchialasthma hinterlassen, so die Masern und der Keuchhusten bei Kindern; zuweilen ist die Veranlagung auch eine ererbte und man findet in einer Familie mehrere Mitglieder, welche leicht asthmatisch werden.

Die Anfälle selbst treten plötzlich auf, und zwar entweder ohne jeglichen Vorboten mit aller Macht, wie ein Sturm, der jäh über eine friedliche Landschaft hereinbricht, oder es wird ihr Nahen durch gewisse Anzeichen angedeutet, wie durch öfteres Niesen, Thränen der Augen, Gefühl von Kitzel im Kehlkopfe, Räuspern und Husten. Daß die Asthmaanfälle so häufig zu nächtlicher Zeit und dann zumeist nach Mitternacht und in den ersten Morgenstunden sich einstellen, hat wohl darin seinen Grund, daß im Schlafe leichter jene Ansammlung des zähen Schleimes in den Bronchien (Luftröhrenverzweigungen) stattfindet, die den Luftwechsel in den Athmungsorganen behindert. Die Anfälle sind von verschiedener Häufigkeit und Dauer. Sie können täglich die Qual der Kranken bilden, sie können aber auch freie Zwischenräume von Wochen, Monaten oder noch längerer Zeit gönnen, und wie sie oft nur einige, allerdings schreckensvolle Minuten anhalten, so können sie sich auch auf mehrere Stunden erstrecken.

So furchtbar ein Anfall für den Kranken ist und so beängstigend er für die Umgebung erscheint, das Aeußerste ist doch nur selten zu befürchten, ein tödliches Ende erfolgt im Anfalle selbst nur höchst vereinzelt. Auch sind die Aussichten auf Beseitigung des Leidens, auf Besserung oder Heilung nicht allzu schwach. Sie sind um so günstiger, wenn es sich um ein noch jugendliches Individuum handelt oder um einen Erwachsenen von sonst kräftiger Natur und guter Körperernährung, wenn ferner die Umstände, welche das Asthma hervorgerufen haben, bekannt und solcher Art sind, daß sie vermieden oder beseitigt werden können.

Welche Heilmittel giebt es nun gegen das Bronchialasthma? Die Frage nach den „Heil“mitteln wird von dem Laien mit Vorliebe gestellt und aus leicht begreiflichen Gründen als die Hauptsache angesehen. Die Beantwortung ist aber im Rahmen einer gemeinfaßlichen Darstellung außerordentlich schwierig, ja sie kann geradezu Unheil stiften. Denn, wie ich so oft betone, nur der Arzt, welcher jeden einzelnen Fall genau beobachtet und sich über die Erscheinungen desselben strenge Rechenschaft geben muß, kann auch ermessen, wie und durch welche Mittel er helfend, heilend, mildernd, beruhigend einzugreifen vermag. Während des asthmatischen Anfalls selbst wird er am ehesten zu narkotischen Mitteln seine Zuflucht nehmen, welche Beruhigung der Nerven und Abnahme der Schmerzempfindung herbeiführen. Der Arzt, aber auch nur dieser, ist dadurch oft imstande, einen beruhigenden Schlaf zu veranlassen, welcher den Asthmaanfall zum Stillstand bringt. Seit alter Zeit ist auch bekannt, daß das Einathmen gewisser Dämpfe von pflanzlichen Stoffen eine sehr beruhigende Wirkung auf den asthmatischen Zustand ausübt und die Beschwerden des Anfalls zu lindern vermag. Es werden in dieser Hinsicht gewisse Giftpflanzen besonders gerühmt, so der gemeine Stechapfel (Datura Stramonium), die Tollkirsche (Atropa Belladona); man zündet Blätter davon auf einem Teller an, läßt sie verglimmen und den Dampf von dem Kranken einathmen. Die Industrie, besonders die hochentwickelte und weit verbreitete der Geheimmittel, hat sich des Gegenstandes bemächtigt und aus jenen Blättern Cigaretten fabriziert, welche gegen Asthma angepriesen werden. In der That kann das Rauchen von 1 bis 2 Stück Cigaretten aus den richtigen Pflanzenblättern ganz treffliche Dienste thun und ich kenne selbst asthmatische Damen, die nie ohne wohlgefüllte Cigarettentasche ausgehen. Bei Personen, die gewöhnlich keinen Tabak rauchen, übt zuweilen schon das Rauchen einer Cigarre oder einer Pfeife gemeinen Tabaks günstig auf Abkürzung des asthmatischen Anfalls. Zu gleichem Zwecke werden auch Räucherungen mit Dämpfen von verbrennendem Salpeterpapier oder Arsenikpapier vorgenommen. Ein einfaches, unschädliches und oft Nutzen bringendes Mittel, welches auch der Laie anwenden kann, ist das Einathmen der zerstäubten Wasserdämpfe einer Lösung von je 1 Gramm doppeltkohlensaurem Natron und Kochsalz auf 200 Gramm Wasser. Man kann die Zerstäubung mittels des bekannten Gummiballons bewerkstelligen, welcher zum Pflanzenbespritzen in Gebrauch ist.

Je nach dem vorhandenen Grundleiden und der Körperverfassung des Kranken wird eine ärztliche Verordnung bestimmter Medikamente nothwendig sein, um die Wiederkehr der Anfälle zu verhüten. Ebenso werden auch in gewissen Fällen Brunnenkuren Nutzen stiften. Bei Personen, welche sehr leicht an katarrhalischen Erkrankungen der Schleimhäute des Athmungsapparates leiden, [779] wird eine Trinkkur an den warmen Quellen von Ems von günstigem Einfluß sein. Bei vollsaftigen, fettleibigen Leuten wird eine Kur mit den ableitenden Glaubersalzwässern von Marienbad und Karlsbad eine Reihe von Gelegenheitsursachen entfernen, welche sonst Reize für das Auftreten des Asthmas bilden. In Fällen, wo asthmatische Zustände mit Erweiterung und Veränderung der Lungenbläschen, also mit Lungenemphysem, verbunden sind, wird man verdünnte und verdichtete Luft zur Athmung verwerthen, wie das am besten in gut eingerichteten pneumatischen Kammern besorgt werden kann. Wohlthätig wirkt auch für solche Kranke während der Sommerszeit der Aufenthalt in höher gelegenen, mit Fichtenwäldern ausgestatteten Gegenden, wo die reine, sauerstoffreiche Luft ein besonderes Gefühl von Wohlbefinden erregt. Ebenso vortheilhaft ist es, wenn die Verhältnisse es gestatten, den Winter in einem südlichen wärmeren Klima zu verbringen, wo die Schädlichkeiten der rauhen Jahreszeit geringer und die Anlässe zu Erkältungen für den Kranken seltener sind. Außerordentlich wichtig aber ist für derartig Leidende, däß sie eine sorgfältige Diät beobachten, jedes Uebermaß im Essen und Trinken vorsichtig vermeiden. Alle schwer verdaulichen Speisen, alle blähenden Gerichte sind von der Tafel zu verbannen; das Abendessen muß äußerst mäßig sein, am besten bloß aus Bouillon, Milch oder weichen Eiern bestehen und darf nicht zu kurze Zeit vor dem Schlafengehen genossen werden; für einen regelmäßigen Gang der Verdauung ist besondere Sorge zu tragen. Bei rauhem Wetter und des Winters bei großen Kältegraden ist das Ausgehen ins Freie zu unterlassen und dafür das gleichmäßig warm gehaltene Zimmer zu hüten. Das Schlafgemach soll reichlich Raum und frische, jedoch nicht zu kalte Luft bieten. Im Anfalle selbst suche man dem Kranken durch Zufächeln von Luft, durch Waschen von Stirn und Gesicht mit Kölnischem Wasser, bei großer Schwäche und Mattigkeit durch Verabreichen von kleinen Mengen kräftigen Weines oder starken schwarzen Kaffees Erleichterung zu verschaffen, lasse aber schleunigst den Arzt holen. Gegen den Lufthunger und die Athemnoth wirkt zuweilen ein von sachverständiger Hand geübter andauernder Druck auf den Brustkorb, wodurch die Ausathmung unterstützt wird. Zu demselben Zwecke ist für Asthmatiker, welche an häufigen, lange dauernden Anfällen leiden, ein Athmungsstuhl empfohlen worden, in welchem der Kranke ohne fremden Beistand mit seinen eigenen Armen imstande ist, seinen Brustkorb rhythmisch bei jeder Ausathmung zu komprimieren (siehe „Gartenlaube“ 1888, Nr. 37).

Die zweite Form des Asthmas, das cardiale Asthma, nimmt vom Herzen seinen Ausgang, wenn dieses infolge von übermäßiger Fettansammlung oder Fettwucherung, von Uebermüdung, von Erkrankung seiner Muskulatur oder der Herzklappen von Verknöcherung der Blutgefäße nicht mehr genügend leistungsfähig ist, um die wichtige Arbeit des Blutkreislaufes in der streng geregelten Weise zu vollbringen. Die Stauungen, welche hierdurch im Kreislaufe des Blutstromes, besonders im Gebiete der Lungengefäße, eintreten, stören in empfindlicher Weise den Gaswechsel in den Lungen, geben zu Schwellungen in den feinen Bronchien Anlaß und verursachen Reizungen dieser Schleimhäute, die den asthmatischen Anfall hervorrufen. Daß ein solcher dem Kranken droht, darauf deuten gewöhnlich schon einige Zeit früher gewisse Vorboten, welche die ungenügende Herzarbeit verrathen, so besonders Kurzathmigkeit bei längerem Gehen oder gar Laufen, Athemnoth beim Treppensteigen oder Heben selbst geringfügiger Lasten, Beklemmung auf der Brust und Herzklopfen bei leichter Erregung, Blutandrang gegen den Kopf, Schwindelempfindung etc. Doch kommt der Anfall selbst unerwartet und plötzlich, er nimmt auch in der Heftigkeit der Beschwerden denselben stürmischen Verlauf wie beim bronchialen Asthma, birgt aber noch größere Gefahren, denn das geschwächte Herz droht, wenn an dasselbe erhöhte Aufgaben herantreten, denen es nicht gewachsen ist, zu – erlahmen.

Darum ist es auch beim cardialen Asthma von besonderer Wichtigkeit, im Anfalle auf das Herz selbst mit aller Macht anregend und kräftigend zu wirken, es zu verstärkter Arbeit anzuspornen. Es geschieht das, indem man starke Hautreize ausübt, auf die Brust Senfteige oder geriebenen Meerrettig legt, die Hände und Füße mit Bürsten bearbeitet, trockene Schröpfköpfe auf die Herzgegend setzt, dabei dem Kranken von Zeit zu Zeit einen Schluck stärksten Weines oder Cognacs, schwarzen Kaffees oder dgl. reicht, bis der Arzt eintrifft und die nöthigen Herzmittel verschreibt, unter denen Digitalis und Coffeïn eine Hauptrolle spielen. Ist die Gefahr des Augenblickes vorbei, dann heißt es, der Wiederkehr der asthmatischen Anfälle möglichst vorbeugen. Dazu gehört außer dem bereits angegebenen Kurverfahren vor allem der ernste Wille des Kranken, eine entsprechende, vom Arzte genau zu regelnde Lebensweise zu führen, durch zweckmäßige Ernährung und Bewegung den Herzmuskel zu kräftigen, durch strenges Meiden aller Schädlichkeiten jede besondere Erregung der Herznerven hintanzuhalten, jeden stürmischen Antrieb des Blutkreislaufes zu verhindern. Nur so kann es gelingen, den Gefahren zu begegnen, welche das Herzasthma sonst unabweisbar mit sich bringt, und das Leben der Kranken nicht nur zu verlängern, sondern auch recht erträglich zu gestalten.

Mit der Schilderung dieser beiden Hauptgruppen des Asthmas haben wir aber keineswegs alle Arten desselben erschöpft. Es giebt vielmehr noch eine ganze Reihe von Ursachen, welche asthmatische Anfälle hervorrufen können, wenngleich nicht so häufig und nicht in so heftigem Grade: Störungen der Verdauung, Schwäche des Magens und Darmes, abnorme Gasbildung, und mancher Kranke weiß ganz genau anzugeben, daß der Genuß seiner Lieblingsspeise von schwer verdaulicher Beschaffenheit, etwa ein Gericht hartgekochter Eier oder Hummersalat, vor dem Schlafengehen den nächtlichen Anfall von Asthma verschuldet hat. Wenn das Grundleiden gehoben wird, hat auch die Athemnoth ihr Ende. Zuweilen sind, und auf diese Fälle ist erst in jüngster Zeit besonders das Augenmerk gelenkt worden – Erkrankungen der Nasenschleimhaut gewisse Wucherungen, Auswüchse, Polypen derselben der Ausgangspunkt der asthmatischen Anfälle, welche ihr Ende erreichen, wenn die Nasenkrankheit durch örtliche Behandlung geheilt worden ist. Wiederum in anderen Fällen tragen nervöse Störungen die Schuld, allgemeine Nervenschwäche, verursacht bei Mädchen und Frauen durch Blutarmuth, Bleichsucht, sitzende Lebensweise und Stubenluft, bei Jünglingen und Männern durch Mißbrauch von starkem Kaffee und Thee, durch unmäßiges Rauchen schwerer Tabaksorten, durch Ueberanstrengung oder Ausschweifung verschiedener Art. Es kommen infolge solcher Nervosität böse Anfälle von Brustbeklemmung vor, welche eine gleich qualvolle Erscheinung wie jedes andere Asthma bieten, aber allerdings günstigere Aussichten für Besserung und Heilung gestatten, sobald nur die Nerven im allgemeinen gesundet sind.

Eine besondere Form des Asthmas bildet das Heufieber, ein Leiden, welches dazu veranlagte Personen alljährlich zu bestimmter Zeit befällt, zumeist wenn die Heuernte anfängt, wenn der größte Theil der Wiesenpflanzen zu blühen beginnt, im Monat Mai und Juni, aber auch im August und September. Die Anfälle treten ganz plötzlich auf, mauchmal aber werden sie auch mehrere Tage vorher angekündigt durch häufiges Niesen, Schnupfen, Thränen der Augen, Husten und Kitzel im Kehlkopfe. Meist dauern die Beklemmungsanfälle drei bis vier qualvolle Wochen, von kurzen Zwischenpausen unterbrochen, und bringen die Kranken in ihren Körperkräften und ihrer Gemüthsstimmung sehr herunter. Nicht bloß die Ausdünstungen des Heues lösen den Anfall aus, wie man nach dem Namen annehmen könnte, sondern auch die Düfte von blühenden Wiesenpflanzen; ja schon die über ein Roggenfeld streichende Luft kann dazu Anlaß geben. Man erklärt die Entstehung des Leidens damit, daß der Blütenstaub gewisser Pflanzen, der Luft beigemengt, auf der Nasenschleimhaut bestimmter dazu veranlagter Personen Reizzustände hervorrufe, die, auf die Schleimhaut der Luftröhrenverzweigungen sich fortpflanzend, Schwellung derselben veranlassen und dadurch zu Beklemmungsanfällen mit Erstickungsgefühl führen. Versuche eines englischen Arztes, welcher durch künstliche Beimengung von Blütenstaub verschiedener Pflanzen unter die Einathmungsluft die Erscheinungen des Heufiebers hervorrief, haben jene Anschauung bestätigt, auf welche auch das Heilverfahren begründet wird. Man läßt die zu Heufieber geneigten Personen, meist solche, welche an Landluft nicht gewöhnt sind und eine kranke Nasenschleimhaut haben, das Zimmer hüten oder schreibt ihnen einen Ortswechsel, besonders den Aufenthalt am Meeresstrande vor. Wenn dies nicht möglich ist, wird die Nase durch Verstopfung der Nasenlöcher mittels Watte gegen die schädliche Einathmung geschützt; auch örtliche Behandlung der Nasenschleimhaut ist zuweilen nützlich.