Aus dem Leben der Insecten

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Titel: Aus dem Leben der Insecten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 658
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[658] Aus dem Leben der Insecten. Die Meinung, daß der Mensch allein die Befähigung besitze, zu denken, die Thiere aber in Allem, was sie vornehmen, blos von dem ihnen angeborenen Instinct oder Naturtrieb sich leiten lassen, ist hinsichtlich der höher organisirten Säugethiere und der Vögel längst widerlegt; daß aber auch die Insecten bei außergewöhnlichen Vorkommnissen mit Berechnung und Ueberlegung handeln geht aus folgendem vom Beobachter in allen Einzelheiten verbürgten Vorfall klar hervor: Ein Freund der Natur und insbesondere der Thierwelt betrachtete einst an einem heißen Sommertage das emsige Treiben von Ameisen, welche eben beschäftigt waren, die vorhandenen Puppen – irrthümlich Eier genannt – aus dem Innern des aufgeworfenen Erdhaufens hervorzuholen und den Sonnenstrahlen auszusetzen, und erblickte während seiner Beobachtungen seitwärts eine Ameise, welche derart in einen Wassertropfen gerathen war, daß sie sich trotz aller Anstrengungen nicht herausarbeiten konnte. Nach kaum zwei Minuten wollte eine andere Ameise an jener Stelle in einer Entfernung von etwa vier Zoll vorübereilen, blieb aber nun, wie auf Commando oder Hülferuf, plötzlich stehen und lief dann sogleich zu der bedrängten Cameradin hin, um diese aus ihrer schlimmen Lage zu befreien. Um jedoch nicht selbst allen Halt zu verlieren, blieb das kleine Thier mit den beiden Hinterfüßen auf dem festen Boden stehen und streckte dann den linken Vorderfuß so weit wie möglich aus. Die andere Ameise aber, welche die Absicht der Retterin jedenfalls gleich erkannte, reichte ihr den rechten Vorderfuß entgegen, klammerte sich an die Helferin an, und wurde nun von dieser, welche sofort rückwärts ging, schnell auf den trockenen Boden gezogen, worauf beide Ameisen nach verschiedenen Richtungen weiter liefen.

Dieser ungewöhnliche Fall liefert doch gewiß den Beweis, daß auch die Insecten denken; denn die rettende Ameise erkannte nicht nur die Gefahr der anderen, sowie die Nothwendigkeit der Hülfeleistung, sondern sie fühlte sich wohl auch verpflichtet, deren Rettung selbst zu versuchen, sie verfuhr aber hierbei mit solcher Klugheit, daß sie nicht anders hätte handeln können, wenn sie menschliche Vernunft besessen hätte.